Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
keine Luft mehr bekam. Sie ertrank – ertrank in Luft!
Diesmal verlor Aurian nicht das Bewußtsein, obwohl die panikerfüllten Augenblicke, während derer sich ihre Lungen anpaßten, eine Ewigkeit zu dauern schienen. Sie versuchte, bewußt zu empfinden, was da vorging, denn sie wußte, daß sie diese Kenntnisse eines Tages vielleicht nötig haben würde.
»Hast du darüber nachgedacht, welche Konsequenzen das hat?« Die Worte, die sie einst an Finbarr gerichtet hatte, standen ihr beeindruckend klar vor Augen, während sie würgte und spuckte.
Die Magusch schaute sich benommen um. Sie war kalt und entkräftet, aber erleichtert, wieder normal zu atmen. Sie lag auf dem breiten, von Rankenfüßerkrebsen überzogenen Rücken des Wales, der sich sanft in einer wieder fast ruhigen See wiegte. Und da war auch Anvar, der steif und bewegungslos nicht weit von ihr entfernt lag. Vorsichtig balancierend, kroch sie zu ihm hinüber. Er fühlte sich kalt an – sehr kalt – und atmete nicht. Aurian überlief ein eisiger Schauder. Kam sie zu spät?
Sie versuchte, ihn mit den besonderen Sinneswahrnehmungen, die sie als Heilerin beherrschte, zu erforschen – und stellte zu ihrem Schrecken fest, daß sie dazu nicht in der Lage war. Kälte und Erschöpfung hatten ihren Tribut gefordert, und sie hatte den letzten Rest ihrer Kräfte in ihren Angriff auf Miathan gelegt. Die Anstrengung, mit dem Leviathan Kontakt aufzunehmen, hatte sie dann völlig ausgezehrt. Aurian fluchte und schlug sich unwillig mit der Faust auf den Schenkel. Jetzt, da die Not am größten war, ließ ihr Körper sie im Stich! Bevor sie nicht durch Nahrungsaufnahme und Ruhe wiederhergestellt war, würde sie nicht fähig sein, die intensiven Energien aufzubringen, die sie zum Heilen benötigte.
Aurian versuchte, ihrer Panik Herr zu werden, und dachte krampfhaft nach. Es mußte einfach eine Alternative geben. Sie dachte an Meiriels Anweisungen für diesen Notfall und drehte Anvar auf den Bauch, drückte immer wieder fest auf seinen Rücken. Ein Rinnsal von Wasser ergoß sich aus seinem Mund, aber er atmete immer noch nicht. Aurian drückte fester; die Anstrengung erwärmte sie trotz des eisigen Windes. »Atme! Wirst du wohl!« Sie ermüdete rasch; kalter Schweiß rann ihr übers Gesicht.
Am Ende, als die Magusch der Verzweiflung nahe war, hob sich Anvars Brust einmal, dann noch einmal. Er hustete und übergab sich, spuckte Seewasser aus und sog in tiefen, hastigen Zügen Luft in seine Lungen; seine weit aufgerissenen Augen starrten über die sich beruhigende See und den gewaltigen, rundlichen Rücken des Wales. Er kämpfte in Aurians Armen und versuchte zu sprechen, aber er brachte nur ein Würgen hervor.
»Langsam, Anvar. Gleich wird es dir besser gehen.« Mitfühlend erinnerte sich Aurian an die furchteinflößenden Augenblicke, die sie selbst auf dem Rücken des Wales erlebt hatte, bevor sich ihre Lungen wieder daran gewöhnt hatten, Luft zu atmen. »Ruh dich eine Minute aus und schöpfe etwas Luft; währenddessen kann ich dir erzählen, was passiert ist. Anvar, die Wale sind nicht einfach wilde Tiere – es sind intelligente Wesen. Ich kann in meinen Gedanken mit ihnen reden, und dieser hat dein Leben gerettet …«
Anvar unterbrach sie. »Sara?« fragte er mit schwacher, heiserer Stimme.
Aurian schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Anvar. Warte ab, ich werde …«
»Warum haben sie Sara nicht gerettet?« Schroff und anklagend schnitt er ihr das Wort ab. »Hast du sie gebeten, es zu versuchen?«
Aurian spürte, wie empörter Zorn in ihr aufstieg. Was denn? Dieser elende, undankbare … Er hatte nicht daran gedacht, wie nahe sie daran gewesen war, ihr eigenes Leben zu verlieren, oder dafür gedankt, daß seins gerettet wurde. Für einen Augenblick schweiften ihre Gedanken zurück zu jener furchtbaren Nacht auf dem Fluß, als sie ihn in ihrer Trauer über Forral geschlagen hatte. Vielleicht tat Anvar nun das gleiche – aber nein. Er hatte sie eine Mörderin genannt, und die Erinnerung daran schmerzte immer noch. Unerträglich gereizt durch diesen neuen Beweis seines Mangels an Vertrauen in sie, konnte sie nur noch verärgert reagieren. Das reicht, dachte sie. Wenn wir an Land kommen, bin ich mit ihm fertig!
»Ärger, Kleine?« Der warme Klang der Stimme des Wales hallte vorwurfsvoll durch ihre Gedanken.
»Die dritte, die noch zu uns gehörte, ist verschwunden, Mächtiger«, erklärte Aurian. »Der Mann gibt mir die Schuld.«
»Er gibt dir die
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