Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
der steinernen Mauer, die die Arena umsäumte, in der Falle. Sie sah, wie ihre beiden Widersacher einen Blick tauschten. Einen Blick des Verstehens. Also wollten sie sie genau dort haben! Aurian verstand nicht, warum, aber wenn das das Ziel der beiden Männer war, würde sie dabei nicht mitspielen.
Sie machte einen Ausfall nach rechts und sprang dann plötzlich nach links auf den Mann mit Netz zu. Aus dem Augenwinkel sah sie eine blitzartige Bewegung, als der Speermann zum Wurf ausholte. Aurian spürte die schwere Spitze durch ihre Wade gehen, spürte, wie sie den Knochen streifte und die Muskeln zerriß. Um ein Haar wäre sie vor Schmerz und Schreck ohnmächtig geworden, aber ihr verzweifelter Sprung hatte sie weit genug von den beiden Männern weggebracht. Sie schürfte sich die Handgelenke auf, als die scharfe Kante ihres Schwerts den Mann mit dem Netz am Knie traf. In einer Pfütze seines eigenen Blutes brach er auf dem Boden zusammen, verkrüppelt und schreiend.
Der Speermann, der nun entwaffnet war, machte einen Satz, um nach dem Netz zu greifen, solange Aurian noch kampfunfähig war. Sie hatte keine andere Wahl, sie brauchte den Speer mit seiner längeren Reichweite, um sich selbst zu verteidigen. Aurian ließ ihr Schwert fallen und griff nach dem hölzernen Schaft, um die gezackte Metallklinge aus ihrem Bein zu reißen. Sie fühlte, wie Fleisch und Muskeln zerrissen, und ihr wurde schwindelig. Eine Woge der Übelkeit verschlang sie, und ihre Umgebung verschwamm vor ihren Augen. Sie hatte keine Zeit, sich aufzurappeln. Beinahe blind riß sie den Speer herum und schleuderte ihn mit dem dicken Endstück zuerst in das am Boden liegende Netz. Mit einem scharfen Ruck gelang es ihr, die verhedderten Maschen direkt unter den gerade zupackenden Händen des Speermannes wegzuziehen.
Es war das letzte, womit er gerechnet hatte. Jetzt würde er, wenn er das Netz wiederhaben wollte, ihr näher kommen müssen, als es ohne eine Waffe in der Hand klug gewesen wäre. In dem Sekundenbruchteil seines Zögerns, noch während er die verschiedenen Möglichkeiten abwog, handelte Aurian bereits. Sie zog das glatte Speerende aus dem Netz heraus, drehte den Speer um – und warf.
Der Speermann hatte ihren Plan durchschaut. Er hatte sich bereits umgedreht und rannte weg, und Aurian, die immer noch auf dem Boden lag, konnte in ihrer Position nicht viel Kraft aufwenden. Aber die Entfernung war kurz, und es reichte. Er taumelte, stürzte zu Boden; die blutige Speerspitze hatte sich in seinen Rücken gebohrt. War es möglich, daß sie ihn getötet hatte? Gewiß nicht, dachte Aurian schwach. Aber ob er nun tot war oder nicht, er stand jedenfalls nicht mehr auf. Auf der anderen Seite würde ihr Sieg, falls sie nicht sofort aufstand, auch nicht als solcher gezählt werden. Sie erinnerte sich an den erschöpften jungen Krieger, der die Arena verlassen hatte, bevor sie sie betrat, verdammt zu einer Wiederholung seines Kampfes, sobald seine Wunden verheilt waren.
Das Heulen der Menge entfernte sich, während sich die Dunkelheit wie ein willkommener Schleier über ihren Kopf senkte. Es wäre so leicht, sich einfach fallen zu lassen, in die Bewußtlosigkeit hinüberzugleiten … Vielleicht würde sie überleben und an einem anderen Tag noch einmal kämpfen können … Was? Das alles noch einmal durchmachen? »Nein!« sagte Aurian entschlossen zu sich selbst. »Steh auf, Krieger!« Sie griff nach ihrem Schwert, stieß seine Spitze in den blutbefleckten Boden und zog sich blind in die Höhe, wobei sie sich auf die starke Klinge stützte. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen. Ihr verwundetes Bein konnte sie nicht tragen, und ihr Rücken schmerzte an der Stelle, die sie sich bei ihrem Sturz verrenkt hatte, ihr linker Arm war beinahe nutzlos. Die Anstrengung und der Blutverlust hatten sie vollkommen erschöpft. O ihr Götter, dachte sie. Wie kann ich in diesem Zustand weiterkämpfen? Flüchtig sehnte sie sich nach ihren verlorenen Kräften. Wenn doch nur diese verdammten Armreifen nicht wären, dachte sie verbittert, dann könnte ich mich immer noch retten, aber warte! Die Armreifen hielten sie zwar davon ab, ihre Kräfte nach außen zu richten, aber würden sie auch verhindern, daß sie sie nach innen richtete? Sie dachte an den Aufstand in Nexis und wie sie den Zorn des Pöbels genutzt hatte, um den Regen zu bringen …
Aurian konzentrierte sich mit aller Macht und kehrte ihren Willen nach innen, wie sie ihn normalerweise nach außen
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