Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
fixierte, loderten ihre gelben Augen wie Feuer. Langsam und unerbittlich pirschte sie sich heran, und ihre Klauen glitzerten in dem blutigen Sand wie große, stählerne Krummsäbel.
Aurian stellte sich breitbeinig hin und hob ihr Schwert, obwohl ihr das Herz vor Angst wild gegen die Rippen schlug. Wie konnte irgend jemand hoffen, ein solches Geschöpf zu besiegen? Wie konnte sie es besiegen, gequält von Verletzungen und Erschöpfung? Dann begegnete ihr Blick dem ihres Widersachers, und mit einem plötzlichen Erschrecken berührte ihr Geist den Geist der gewaltigen Katze. Sie war intelligent, eine weibliche Katze. Eine Königin – die Patriarchin ihres Volkes –, gefangen, gedemütigt und rachsüchtig.
Die Magusch raffte ihre verwirrenden Sinne zusammen und versuchte, in Gedanken eine Brücke zu ihrer Gegnerin zu schlagen. »Warte«, sagte sie.
»Warum?« Die Antwort war voller Hohn, aber Aurian spürte auch das dahinter verborgene Erstaunen. Die Katze kam näher, beinahe nahe genug, um mit der Tatze zuzuschlagen. Aurian war fast froh darüber, daß ihr verwundetes Bein sie daran hinderte, wegzulaufen. Sie versuchte es noch einmal.
»Ich bin nicht dein Feind. Auch ich bin eine Gefangene.« Ruhig, Aurian. Du darfst nicht flehen.
»Alle Menschen sind meine Feinde.«
»Ich nicht.« Die Magusch gab ihrer Gedankenstimme einen festen Klang. »Die Leute hier sind auch meine Feinde. Warum sollten wir einander töten, obwohl wir die gleichen Feinde haben?«
Die Katze hielt einen Augenblick inne. Sie hatte eine gewaltige Tatze wie zum Schlag erhoben und schien nachzudenken. Dann nahm sie plötzlich eine drohende, geduckte Haltung ein. »Du lügst!« fauchte sie. »Stirb!« Und sie sprang.
Aber Aurian, eine große Katzenliebhaberin, hatte das verräterische Zucken der Hinterbeine gesehen. Und bevor die Katze auf sie stürzen konnte, hatte sie sich bereits mit einem Sprung nach vorn fürs erste gerettet. Sie spürte jedoch, wie die Klauen, weißglühendem Eisen gleich, ihren Körper aufkratzten, und hörte ein wütendes Schmerzgeheul, als die Spitze ihres Schwertes die Rippen der Katze streifte. Sie versuchte, wieder auf die Füße zu kommen, um sich umzudrehen und ihrer Feindin entgegenzutreten, aber das verletzte Bein gab unter ihr nach. Und dann war die Katze über ihr, drückte sie mit dem Gesicht nach unten und in den Schmutz und schlug ihr das Schwert aus der Hand – zu weit weg, als daß sie es noch hätte erreichen können. Einige Herzschläge lang machten sie beide keine einzige Bewegung. Die Menge hielt den Atem an. Abermals suchte die Magusch den Geist ihrer Widersacherin. »Du machst einen großen Fehler.« Wenn ihre Situation nicht so verzweifelt gewesen wäre, hätte sie über ihre eigene Frechheit gelacht.
Die grausame Belustigung der Katze flackerte wie ein Peitschenhieb durch Aurians Gedanken. »Aber natürlich«, höhnte sie.
Langsam, ganz langsam, bewegte Aurian sich ein wenig, ohne auch nur zu wagen, den Sand auszuspucken, den sie im Mund hatte. Wie ein sengender Feuerstrom kratzten die riesigen Krallen leicht über ihren Rücken, zerfetzten ihre Lederweste und schlitzten die zarte Haut darunter auf. Aurian schrie auf vor Schmerzen. Aber sie hatte ihr Ziel erreicht. Ihre rechte Hand war jetzt unter ihr und griff nach dem Dolch, den sie sich von Eliizar zurückgestohlen und in ihrer Weste verborgen hatte. Die Katze hatte ihr, ohne es zu wissen, geholfen, als sie die Kampfmontur beinahe vernichtete, und die lange, flache Klinge glitt nun mühelos in Aurians Hand.
Plötzlich traf sie der mächtige Schlag einer gewaltigen Tatze und rollte sie herum, wieder und wieder; die Katze spielte mit ihr wie eine Hauskatze mit einer Maus. Diesmal landete Aurian auf dem Rücken, und ein scharfer Schmerz nahm ihr den Atem. Ihre Rippen? Oder das Kind? Unfähig, den Schmerz zu lokalisieren, spürte Arian, wie heiße Angst sie durchzuckte. Die große Katze sprang auf sie, streckte bereits die Klauen aus, um ihr den Bauch aufzuschlitzen – und gefror, als sie die Spitze von Aurians Dolch an ihrer Kehle spürte.
Die Magusch blickte in die wilden, goldenen Augen, die nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt waren. »Patt, würde ich sagen«, bemerkte sie. Sie bekam keine Antwort, fing jedoch ein ganz schwaches Aufflackern von Zweifeln hinter diesen flammenden Augen auf. Die Menge war wie ein Mann aufgesprungen. Aurian zwang sich, ruhig zu bleiben, das Wagnis einzugehen. »Sie sagen, wenn ich dich töte,
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