Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
Angreifer getötet hatte. Da Krüppel in der Khazalim-Gesellschaft nicht toleriert wurden, hatte Eliizar nur die Wahl gehabt, in die Sklaverei zu gehen oder mit seiner geliebten Frau zusammen zu sterben. Glücklicherweise war jedoch Xiang in einer seltenen Geste der Dankbarkeit eingeschritten, und Eliizar hatte zur Belohnung den Posten des Schwertmeisters der Arena bekommen. »Und es war eine grausame, hinterhältige Belohnung«, hatte er Aurian gestanden. »Ich bin gezwungen, zum Vergnügen eines blutdurstigen Pöbels starke, junge Krieger in den Tod zu schicken. Wie kann ein Mann mit so etwas leben und nachts trotzdem noch schlafen? Und doch habe ich keine andere Wahl, als hierzubleiben. Diesen Posten zu verlassen würde Tod oder Sklaverei bedeuten, auch für die arme Nereni. Wahrhaftig, ich hasse den Khisu für das, was er mir angetan hat.«
»Bist du bereit?« Eliizars Stimme holte Aurian in die Gegenwart zurück. Gerade wurden die großen Holztüren geöffnet, die auf den Platz des Mordens hinausführten. Ein Krieger humpelte hindurch, gestützt von zwei Helfern und aus mehreren Wunden blutend. Zwei bewaffnete Arenawächter trugen seinen Gegner, einen zerfetzten, blutigen Leichnam. Aurian erkannte die verzerrten Gesichtszüge eines tapferen, lachenden jungen Mannes, gegen den sie erst vor zwei Tagen im Training gekämpft hatte.
Eliizar wischte sich mit zitternder Hand den Schweiß vom Gesicht. »Möge der Schnitter mir vergeben«, murmelte er, und Aurians Herz flog ihm entgegen. Impulsiv legte sie ihm eine Hand auf den Arm.
»Eliizar, du mußt fort von hier. Wenn ich meine Freiheit gewinne, dann kommt ihr, Nereni und du, mit mir nach Norden. Ich werde einen echten Freund und einen guten Krieger brauchen, ob er nun zwei Augen hat oder nur eins.«
Eliizar sah sie voller Erstaunen an und wandte sich dann ab, als der große Gong erklang, um die Magusch zum Kampf zu rufen. »Vergib mir, Aurian«, flüsterte er.
»Da gibt es nichts zu vergeben«, sagte Aurian leichthin. »Wenn dies für mich der einzige Weg in die Freiheit ist, dann würde ich ihn in jedem Falle allem anderen vorziehen. Ich sehe dich später, Eliizar – und denk nach über das, was ich gesagt habe. Ich habe es ernst gemeint.« Sie gab ihm einen verwegenen Kuß auf seinen kahlen Kopf, dann trat sie hinaus in den Tunnel, wobei sie sich um Gelassenheit bemühte und ein Kriegergebet flüsterte, das Forral ihr vor langer Zeit einmal beigebracht hatte. Sie war bereit. Sie mußte es sein.
Aurian trat aus dem schattigen Tunnel hinaus in das weißglühende Gleißen der Arena. Ein gewaltiges Gebrüll stieg aus dreitausend Kehlen auf und hallte wieder und wieder durch das Stadion, bis auch Aurian davon ergriffen und förmlich emporgetragen wurde. Sie hob ihr Schwert – ihr eigenes Schwert, Coronach, das man ihr zurückgegeben hatte –, um die Menge zu grüßen. Sonnenlicht rann wie flüssiges Feuer über die scharfen Schneiden der Klinge. Aurian hob trotzig den Kopf und warf ihr Haar zurück, das nun zu kurz war, um es zu flechten. Der Gestank von Schweiß, Staub und Blut stieg ihr in die Nase, der Geruch des Kampfes.
Dann sah Aurian ihren ersten Gegner und blieb wie angewurzelt stehen. Sie hatte einen der massigen Krieger erwartet, mit denen sie trainiert hatte, damit Eliizar ihre Fähigkeiten beurteilen konnte. Statt dessen stand sie nun einem Fremden gegenüber – einem drahtigen, kleinen Mann, dessen Muskeln auf seinen Armen und Beinen wie knorrige Seile hervortraten. Sein Kopf reichte ihr kaum bis zu den fest eingeschnürten Brüsten. Was ist das? dachte die Magusch wütend. Machen sie sich über mich lustig? Noch während sie darüber nachdachte, schoß ihr Gegner blitzschnell vor, seine Klinge ein silberner Nebel. Kaltes Feuer rann durch ihren linken Arm, gefolgt von einem Strom heißen Blutes, als der Mann auch schon wieder zurücktänzelte und außerhalb ihrer Reichweite war. Aurian starrte einen Sekundenbruchteil lang auf die klaffende Wunde direkt unterhalb ihrer Schulter, wo die Spitze seines Schwerts niedergesaust war. Forrals Stimme hallte in ihren Gedanken wider. Unterschätze niemals einen Gegner, egal wie er aussehen mag.
Eiskalter Verstand kühlte Aurians vom Kampf erhitztes Blut ab. Sie umkreiste den kleinen Mann mit neuem Respekt und versuchte, seinen nächsten Schritt vorherzusehen, suchte nach einer Schwäche in seiner Haltung. Dann war der kleine Wicht plötzlich wieder da, wie Quecksilber. Aurian duckte sich, schwang ihre
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