Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
leuchtendblauen Augen öffneten sich, um ihrem Blick zu begegnen. Alle Spuren seiner Verletzungen waren verschwunden. Erst später wurde Aurian klar, daß sie bei dieser Gelegenheit auch ihre eigenen Verletzungen geheilt hatte, aber in diesem Augenblick war sie einfach nur von Erleichterung erfüllt, von Erleichterung und Dankbarkeit und dem Staunen über das Wunder, das ihr unbeugsamer Wille zustande gebracht hatte.
»Aurian?« Anvars Stimme war kaum ein Flüstern in seiner ausgedörrten Kehle.
»Ich bin hier.« Die Magusch vermochte es kaum, ihre eigene Stimme wiederzufinden. Bohan stand hinter ihr und bot ihr eine Tasse Wasser an, aber Aurians Hände zitterten zu sehr, um sie anzunehmen, und sie fürchtete sich, Anvar loszulassen, aus Angst, ihn auf diese Weise wieder zu verlieren. Statt dessen stützte sie ihn, während der Eunuch ihm die Tasse an die Lippen führte.
»Hexe! Du hast uns alle betrogen!« Das Sonnenlicht war wie ausgeblendet, als Harihns Schatten auf die kleine Gruppe auf dem Boden fiel. Seine Augen waren weit aufgerissen vor Entsetzen und auf Aurians Handgelenke gerichtet, wo vor kurzem noch die Armreifen von Zathbar gewesen waren.
»Harihn …« begann Aurian eindringlich, aber der Prinz hatte sein juwelenbesetztes Schwert bereits mit einem Ruck aus seiner Scheide gezogen. Sie versuchte, aufzuspringen, wurde aber von Anvar daran gehindert, der die Gefahr erkannt hatte und trotz seiner geringen Kräfte aufzustehen versuchte, gerade als die Klinge nach unten schwang.
Bohan bewegte sich mit einer Schnelligkeit, die seine gewaltige Größe Lügen strafte, und warf sich zwischen die Magusch und Harihns Klinge. Er hatte dabei sein eigenes kurzes Schwert gezogen. Metall klirrte gegen Metall, und Funken regneten auf Aurian und Anvar herab, als er den Schlag des Prinzen abwehrte. Harihns Handgelenk wurde von dem gewaltigen Schwung des Schlages nach unten gerissen, und Bohans linke Hand schoß nach vorn, um es zu ergreifen; er schloß seine Hand fester und fester um das schmale Handgelenk des Prinzen, bis dieser mit einem Schmerzensschrei seine Waffe fallen ließ. Aurian sah, wie sich seine Brust mit einem tiefen Atemzug füllte, als er sich darauf vorbereitete, nach seinen Wachen zu rufen.
»Halt!« Ihre Stimme war wie ein Peitschenschlag. Aus ihrer knienden Position heraus sprach sie den Prinzen leise und mit sich überschlagenden Worten an. »Wenn Ihr mich tötet, wird Xiang die Armreifen zurückhaben wollen. Was wollt Ihr ihm sagen? Ihr könnt sie nicht zurückgeben – sie sind weg. Auf eine solche Chance hat er doch nur gewartet. Er wird behaupten, Ihr hättet sie mir abgenommen. Und vergeßt nicht, er hat jetzt eine neue Khisihn – und damit eine Chance auf weitere Erben. Nichts würde ihm besser gefallen, als Euch lebendig zu häuten. Denkt darüber nach.« Harihn erbleichte, als ihre Worte sein Dilemma so unumwunden offenlegten. Aurian nutzte ihren Vorteil. »Wir sind bereit, zu gehen, nicht wahr?«
Er nickte.
»Gut. Dann sollten wir zusehen, daß wir hier wegkommen, bevor irgend jemand bemerkt, was passiert ist. Auf dem Weg zurück zum Palast können wir uns etwas ausdenken.«
»Der Arzt hat es gesehen.« Harihn stieß diese Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Er kam schnatternd zu mir gerannt mit irgendeiner Geschichte über Zauberei. Das müssen auch andere gehört haben.«
Aurian runzelte die Stirn. »Richtig. Schafft irgend etwas herbei, womit wir Anvar einwickeln können, so daß niemand sehen kann, daß er geheilt wurde. Bohan wird ihn zum Boot tragen, und Ihr könnt mich tragen. Ich werde meine Handgelenke mit den Ärmeln bedecken, so daß niemand sehen kann, daß die Armreifen verschwunden sind. Und wenn wir wieder auf der Barkasse sind, werdet Ihr den Arzt für seine Lügen verfluchen – Ihr müßt richtig wütend auf ihn sein.«
»Ich denke, das wird mir gelingen«, murmelte Harihn grimmig.
»Ihr müßt nur sicherstellen, daß niemand glaubt, was wirklich passiert ist, und uns so schnell wie möglich hier herausbringen. Ihr könnt ja dem Arzt später ein Bestechungsgeld oder so etwas anbieten. In Ordnung?«
Harihn machte ein finsteres Gesicht. »Na schön – für den Augenblick wollen wir die Sache auf sich beruhen lassen. Aber wir sind noch nicht miteinander fertig, Lady.«
»Einverstanden«, sagte Aurian friedlich. »Das wichtigste ist, daß wir jetzt hier wegkommen.«
Bohan holte eine große Decke aus dem Lager der Handwerker und trug Anvar zur
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