Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
fertig wird, und es kümmert ihn nicht, wie viele Leben er für diesen Zweck verschwenden muß. Ich habe die Baustelle einmal besucht. Die Brutalität, mit der die Sklaven dort behandelt werden, hat mir den Magen umgedreht.«
Er griff nach der Hand der Magusch. »Aurian, dein Anvar ist dort vor mehreren Wochen hingekommen, und die Sklaven sterben da wie die Fliegen. Außerdem habt ihr Nordländer nicht die richtige körperliche Verfassung für dieses Klima. Es ist beinahe sicher, daß er tot ist, Lady.«
»Nein!«
Als er ihr unglückliches Gesicht sah, fuhr er schnell fort. »Aber ich habe ein Boot bereitmachen lassen, und ich werde mich sofort auf den Weg machen, um es herauszufinden.«
Auf der Stelle war das alte Glitzern wieder in Aurians Augen zurückgekehrt. »Gut«, sagte sie. »Ich dachte schon einen Augenblick lang, ich müßte Euch erst dazu überreden. Wie bald können wir aufbrechen?«
Harihn starrte sie an und ließ seinen Blick über die Verbände auf ihren Rippen gleiten, die durch das hauchzarte weiße Gewand, das sie trug, deutlich sichtbar waren; ihr linker Arm lag immer noch in einer Schlinge. Auf ihren Armen und ihrem bleichen Gesicht waren immer noch langsam verblassende blaue Flecken zu sehen. »Aurian, du kannst nicht mitkommen«, erklärte er mit fester Stimme.
Aurian biß die Zähne zusammen. »Wollt Ihr darauf eine kleine Wette machen, mein Prinz?«
Zu jeder anderen Zeit wäre die Reise flußaufwärts ein Vergnügen gewesen. Aurian und Harihn saßen bequem auf Kissen unter einem schattigen Baldachin, und der immer aufmerksame Bohan verjagte mit einem Fächer die Insektenschwärme, die über den träge dahinfließenden Wassern schwebten. Obwohl Harihn seine extravagante, königliche Barkasse zugunsten eines einfacheren Schiffes aufgegeben hatte – um so wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen wie möglich –, genossen sie auf der Reise jeden nur erdenklichen Luxus. Früchte und Wein standen bereit, aber die Magusch war viel zu aufgeregt, um zu essen. Sie saß hoch aufgerichtet da, blickte flußaufwärts und versuchte die Ruderer mit ihrem Willen voranzutreiben. Noch nie in ihrem Leben hatte sie Fingernägel gekaut, aber jetzt tat sie es. Harihn beobachtet sie mit einem Stirnrunzeln. »Aurian«, sagte er schließlich. »Mußt du so ein Theater machen?«
»Was denkt Ihr Euch eigentlich?« fuhr Aurian ihn an. »Wie soll ich denn weniger Theater machen, wenn Anvar so furchtbar leiden muß. Ich gebe mir selbst die Schuld daran.« In ihrer Stimme schwang Bitterkeit mit.
»Aurian, was hättest du denn tun können?« Der Prinz setzte sich auf und legte eine beschwichtigende Hand auf ihren Arm. »Du nimmst zuviel auf dich. Was geschehen ist, ist geschehen – vergiß nicht, wie nahe du selbst dem Tod gewesen bist. Du hättest Anvar den Rücken kehren können, so wie die Khisihn es getan hat, aber du hast es nicht getan. Was hättest du denn sonst noch tun können? Ob wir rechtzeitig kommen oder nicht, es wird jedenfalls nicht schneller gehen, nur weil du dich so aufregst.«
»Das weiß ich«, sagte Aurian unglücklich. »Ich kann nur einfach nicht dagegen an.«
Als die Barkasse sich der Mole vor dem Sommerpalast näherte, konnte Aurian selbst sehen, wie furchtbar die Sklaven dort mißbraucht wurden und wie sehr sie litten. Angst schnürte ihr die Kehle zu. Es war doch wohl kaum möglich, daß Anvar das hier überlebt hatte? Warum hatte sie ihn nur je allein gelassen? Ihre Finger umkrampften die Reling der Barkasse, und ihre Nägel gruben sich in das weiche Holz.
Als sie ihr Boot endlich sicher vertäut hatten, trug Bohan die Magusch an Land und setzte sie auf den staubigen Boden, während Harihn nach dem Sklavenmeister schickte. Sie warteten, Aurian in einem Fieber von Ungeduld. Shia hatte zu ihrem größten Mißfallen zurückbleiben müssen, aber Harihn hatte den Arzt mitgebracht. Der kleine Mann runzelte die Stirn und schürzte angesichts dessen, was er sah, mißbilligend die Lippen. Als Aurian seinen Blick auffing, antwortete er ihr mit einem leichten Kopf schütteln. »Oh, bitte«, begann sie zu beten, obwohl sie genau wußte, daß die Götter, mit denen sie aufgewachsen war, nichts anderes waren als Magusch, genau wie sie selbst. »Bitte …«
Ohne weiteren Verzug kam auch schließlich der Sklavenmeister herbeigeeilt. Als er zu seiner Überraschung seinen Prinzen erkannte, ließ er sich am ganzen Leibe zitternd auf den Boden fallen. Harihn forderte ihn hastig auf, sich zu
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