Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
beinahe. »Ich habe das doch nur zu deinem Besten getan. Der Sklave hier ist der lebende Beweis dafür, daß deine Khisihn dich betrogen hat und sterben muß! Sie ist seine Konkubine.«
Anvar keuchte.
»Nein!« kreischte Sara. »Er lügt.«
»Ruhe!« brüllte der Khisu. Sein Gesicht war vom Zorn verzerrt. »Jetzt«, knurrte er seinen Sohn an, »will ich die Wahrheit wissen, bevor ich dein elendes Leben beende. Woher hast du diese absurde Geschichte?«
Harihn zitterte, als er seinen Vater ansah. »Von Aurian, der Zauberin. Kam es dir nicht merkwürdig vor, daß die Khisihn so dringend ihren Tod wollte, als sie in der Arena gekämpft hat? Das lag daran, daß sie die Wahrheit kannte – was sie jawohl auch sollte. Dieser Mann ist immerhin ihr Ehemann.«
Anvar, dem von den Enthüllungen des Tages bereits ganz schwindlig war, war maßlos erstaunt. Aurian hatte Harihn erzählt, er sei ihr Ehemann? Warum hatte sie den Prinzen belogen?
Der Klang des hohen Gelächters der Khisihn hallte schrill durch den Raum. »Sie hat behauptet, er sei ihr Mann?«
»Du leugnest das?« Harihn schien plötzlich etwas weniger selbstsicher zu sein.
»Natürlich tue ich das«, erwiderte Sara gelassen. »Sie hat gelogen, um sich dem Todesurteil für Verräter zu entziehen. Der Mann ist nicht ihr Ehemann. Er ist ihr Leibeigener und ihr Komplize bei meiner Entführung. Glaubst du vielleicht, daß ich, die Khisihn, mich so weit herablassen würde, mich zu einem bloßen Diener zu legen?« Die Verachtung in ihrer Stimme fuhr wie ein Messer durch Anvars Herz, und dadurch entging ihm der entsetzte und zornige Blick auf Harihns Gesicht. Er wappnete sich gegen den Schmerz und redete sich ein, daß sie es nicht ernst meinen konnte – daß sie dem Khisu auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war und nur versuchte, sich zu retten.
Der Khisu richtete seinen funkelnden Blick auf Anvar und sprach mit ihm in der Sprache der Nordländer. »Nun, Sklave? Was hast du dazu zu sagen? Auf der einen Seite behauptet mein Sohn, die Khisihn sei deine Konkubine. Sie dagegen beschuldigt dich, ihr Entführer zu sein. Sei vorsichtig mit deiner Antwort, denn es hängen Leben davon ab – einschließlich deiner eigenen, miserablen Existenz!«
Anvar zögerte, so durcheinander gebracht von diesem Wirrwarr aus Betrug und Lügen, daß er nicht wußte, was er sagen sollte. Wenn er Saras Geschichte unterstützte, würde das seinen eigenen Tod bedeuten, ganz zu schweigen von dem Aurians und des Prinzen. Auf der anderen Seite stand Saras Leben auf dem Spiel … Er schwankte, gefangen in seinem Dilemma, da er nur die Hälfte der Tatsachen kannte und unfähig war, sich zu entscheiden.
»Seht Ihr?« kreischte Sara triumphierend. »Er kann nicht sagen, daß ich lüge. Er schweigt nur, um seine Herrin zu beschützen. Mein Fürst, glaubt mir. Ich würde Euch nie betrügen. Aber Euer Sohn würde es tun – ja, um genau zu sein, er hat es bereits getan, indem er sich mit der Zauberin gegen uns beide verschworen hat.«
Ein erleichterter Blick ging über das Gesicht des Khisu, und er lächelte seine Königin an. »Du bist ebenso weise, wie du schön bist, meine Geliebte. Wie konnte ich nur je an dir zweifeln?« Er winkte seine Wachen heran. »Tötet diese Verräter, dann werde ich mich um ihre Zauberin kümmern.«
Dunkelheit. Ein kalter, feuchter Boden unter ihr. Schmerz in ihrer rechten Schulter, der sich wie Feuer über ihren Arm und ihre Seite ausbreitete. Übelkeit, die ihr die Kehle zuschnürte. Aurian hielt den Atem an, um nicht laut aufzustöhnen. Es mußten Wachen in der Nähe sein. Besser, sie glaubten, daß sie noch immer bewußtlos war. Niemand konnte sie in diesem schwarzen Loch sehen – nicht ohne die Nachtsichtigkeit der Magusch. Sie hatte die Uniformen von Xiangs Soldaten wiedererkannt und konnte sich ziemlich gut ausmalen, was geschehen sein mußte. Sie lag ganz still da, mit dem Gesicht nach unten auf den harten Steinen, wo man sie sorglos hingeworfen hatte. Mit ihrem zusätzlichen Sinn einer Heilerin überprüfte sie als erstes das Kind in ihr. Zu ihrer Erleichterung schien alles gut zu sein. Das Würmchen mußte wahrhaftig kräftig sein, um all das zu überleben, was seiner Mutter in der letzten Zeit widerfahren war.
Mutter. Es war das erste Mal, daß sie dieses Wort benutzte, selbst in Gedanken. Trotz ihrer Schmerzen und ihrer unbequemen Lage, trotz der Gefahr, in der sie sich befand, wölbten Aurians Lippen sich zu einem Lächeln. Sie hatte das Kind endlich
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