Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
Tode verurteilt. Xiang fragte sich, ob er seinen Sohn noch eine Weile am Leben halten sollte, damit er ein wenig länger unter dem Entsetzen der über ihm schwebenden Drohung leiden konnte. Die Zauberin würde natürlich so bald wie möglich hingerichtet werden. Ohne ihre Fesseln war sie eine zu große Bedrohung, als daß man sie am Leben lassen konnte.
An den Türen des Gemachs bewegte sich etwas. Die Wachen zerrten Harihn in den Raum und warfen ihn zitternd und mit weißem Gesicht dem Khisu zu Füßen. Xiang lächelte mit grausamer Belustigung und kostete das Entsetzen in den Augen seines Sohnes voll aus.
Endlich waren die Soldaten gekommen, um ihn zu holen. Nachdem sie Anvar durch eine lange Reihe von Fluren geschleppt hatten, warfen sie ihn durch ein Paar gewaltiger, bronzegetäfelter Türen. Der riesige, hohe Raum dahinter schien voll von Soldaten zu sein. Der junge Mann, den Aurian Harihn genannt hatte, kauerte vor einem Mann, der auf einer niedrigen Plattform thronte. Wenn Harihn der Prinz war, konnte das nur der König sein.
Dann war alles andere plötzlich vergessen, als Anvar die goldhaarige Gestalt sah, die neben dem Thron saß, königlich und in strahlender Pracht, mit Juwelen geschmückt und in feine Seidengewänder gehüllt. »Sara!« rief er voller Freude. Er versuchte, sich freizukämpfen, um zu ihr zu gelangen, aber die Wachen hielten ihn fest. Die kalte Reserviertheit von Sara geriet keinen Augenblick ins Wanken, als man Anvar neben dem Prinzen zu Boden schleuderte. Mit auf dem Rücken gefesselten Händen war er unfähig, den Sturz abzufangen, und schlug mit der Stirn auf den marmornen Boden. Als er sich taumelnd auf die Knie erhob und blinzelnd versuchte, die explodierenden Lichter zu vertreiben, die seinen Blick verdunkelten, sprach der König Harihn an.
»Das hast du wirklich gut gemacht, mein Sohn«, höhnte Xiang. Seine Augen glitzerten triumphierend. »Man hat mich darüber informiert, daß du dich des Verrats schuldig gemacht hast, indem du eine bekannte Zauberin von den Fesseln befreit hast, die ihre Zauberkraft behinderten, und das verstößt gegen die Gesetze dieses Landes. Was hast du zu der Anklage zu sagen?«
Anvar gelang es, aus den Augenwinkeln einen Blick auf den Prinzen zu werfen, und er sah, wie sich das Gesicht des jungen Mannes vor Entsetzen und Panik verzerrte. »Nein!« heulte er. »Das ist nicht wahr! Ich habe sie nicht freigelassen. Sie ist ihren Fesseln ganz allein entkommen.«
»Du lügst.« Die Stimme des Khisus unterbrach die entsetzten Proteste seines Sohnes, und Anvar sah, wie sich die Schweißperlen auf Harihns Stirn bildeten.
»Außerdem«, fuhr Xiang fort, »hast du einen meiner Sklaven gestohlen – ein seltenes Exemplar der Nordländer. Meine Khisihn hat mir erzählt, daß dieses Geschöpf für ihre Entführung aus ihrer Heimat verantwortlich war, zusammen mit deiner Zauberin. Ich kann nur annehmen, daß du mit den Feinden der Khisihn gemeinsame Sache machst. Und dafür kann es nur einen Grund geben: Du willst sie und damit auch mich vom Thron stürzen.« Er wandte sich an Sara. »Ist das der Sklave, meine Königin?«
Die Worte trafen Anvar wie ein tödlicher Schlag. »Königin!« rief er, zu entsetzt, die Konsequenzen seines Handelns zu bedenken.
Eine der Wachen schlug ihm hart auf die Lippen und brüllte: »Ruhe!« Anvar lag wieder auf dem Boden und schmeckte Blut auf seinem geschundenen Mund. Saras Blick flackerte voller Verachtung über ihren früheren Liebhaber.
»Das ist er«, sagte sie kalt.
»Sehr gut«, erwiderte Xiang. »Was sollen wir mit ihm machen, meine Liebste? Die Wahl seiner Bestrafung liegt bei dir.«
Sara zuckte mit den Schultern. »Tötet ihn«, sagte sie gleichgültig. Anvar erstarrte bei ihren Worten. Er konnte nicht, wollte nicht glauben, daß sie so gefühllos seinen Tod befohlen hatte.
»Warte!« rief Harihn. »Das Sklave gehört mir.«
»Was hast du gesagt?« Xiangs Stimme war heiser und so kalt wie Stein.
»Euer Informant hat Euch belogen, Majestät«, sagte Harihn. »Der Sklave gehört mir.« Dann riß er einen Arm aus der Umklammerung der Wachen und holte ein zerknittertes Pergament hervor – die Besitzurkunde für einen Sklaven. »Ich habe ihn vor weniger als drei Stunden mit gutem Gold von deinem Sklavenmeister gekauft – und mit gutem Grund.«
»Du bist bereits als Verräter verurteilt«, fuhr der Khisu ihn an. »Deine Besitzurkunde ist nichts wert.«
»Vater, hör mich an«, rief Harihn, und seine Stimme brach
Weitere Kostenlose Bücher