Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
wir etwas schlafen. Es ist schon bald Zeit zum Aufbruch.«
Anvar erwachte, als der Abend dämmerte, und Aurian lag fest schlafend in seinen Armen. In ihrem unbewachten Schlummer hatte der Glanz des Stabes ein wenig nachgelassen, und sie sah erschöpft und verletzlich aus und wieder sehr menschlich. Unter der dünnen Decke war nun auch die leichte Wölbung ihres Bauches zu sehen, und eine tiefe Zärtlichkeit für die Magusch und ihr ungeborenes Kind überflutete ihn. Widerspenstige Strähnen ihres Haares, für dessen Pflege sie seit dem radikalen Schnitt auf dem Weg nach Taibeth nichts mehr getan hatte, lagen kreuz und quer über ihrem Gesicht und bewegten sich sanft im Rhythmus ihres Atems. Anvar lächelte und dachte an ihr Haar, als es ihr noch in einem Schwall feurigen Rots über die Taille gereicht hatte. Und er dachte daran, wie sehr er es in jener Nacht, bevor Forral gestorben war, genossen hatte, es für sie zu kämmen. Wie wunderbar sich sein seidenes Gewicht angefühlt hatte, während es ihm durch die Finger lief! Schon damals habe ich sie geliebt, dachte er. Ich habe sie geliebt und konnte es mir selbst nicht eingestehen. Wie hätte ich auch, da ich nichts was als ihr Diener? Wie kann ich es eigentlich wagen, es jetzt zuzugeben?
Sie wird mich niemals lieben – nicht bei all dem, was zwischen uns steht, der Erinnerung an die Vergangenheit und dem Geist von Forral, der unser Leben überschattet. Wenn ich in jener Nacht nicht zu ihm gegangen wäre, würde er vielleicht noch am Leben sein. Gleichgültig, welche Entschuldigungen Aurian für mich findet, wie könnte ich je erwarten, daß sie mich nach dieser Nacht noch lieben kann?
In diesem Augenblick jedoch, als er hinunter auf die schlafende Magusch blickte, erhärtete sich Anvars Entschluß. Ich schulde ihr etwas, dachte er. Eine Blutschuld für Forrals Leben. Selbst wenn es mich mein eigenes Leben kosten sollte, muß diese Schuld beglichen werden – und eines Tages werde ich einen Weg finden, das zu tun.
Anvar streckte die Hand aus, als würde er seinen Schwur besiegeln, indem er sie berührte, und ganz sanft strich er der Magusch ihre widerspenstigen Locken aus dem Gesicht. Zu seinem Unbehagen bewegte sie sich und öffnete die Augen. Er riß seine Hand zurück, als hätte er sich verbrannt, während die rohe Macht des Stabs der Erde lodernd wieder in ihr zum Leben erwachte. Aber sie lernte bereits, diese Macht zu beherrschen. Noch während er hinsah, wurde der Glanz etwas schwächer, als Aurian versuchte, die Energie des Stabes in sich selbst aufzunehmen.
Aurian seufzte. »Ist es schon Morgen?« murmelte sie schläfrig.
Anvar blickte zur Öffnung der Höhle hin und wünschte sich, daß sie nicht immer in solcher Eile wären; wie sehr sehnte er sich danach, eine Weile mit ihr allein sein zu dürfen. Aber ein solcher Luxus schien im Augenblick so unerreichbar wie der Mond.
»Abenddämmerung, würde ich sagen«, erwiderte er. »Wir sollten besser die anderen wecken. Es ist Zeit, zu gehen.«
Der Rest der Reise durch die Wüste nahm noch eine Reihe von Tagen in Anspruch – einige der schlimmsten Tage, die Aurian jemals erlebt hatte. Immer auf der Hut vor den unmittelbar bevorstehenden Stürmen, drängte Yazour sie unerbittlich zur Eile und trieb sie und ihre Pferde bis an den Rand ihrer Kräfte. Die Magusch stellte fest, daß sie Rabe beneidete, die vorausgeflogen war, von einer Oase zur anderen, um sich, so schnell sie nur konnte, am Rande der Wüste in Sicherheit zu bringen. Da Yazour es nicht geschafft hatte, irgendwelche Zelte für sie mitzubringen, waren sie gezwungen, die glutheißen Stunden des Tageslichts im Freien zu verbringen, im Schatten von provisorischen Hütten aus Decken, unter denen sie sich und den Pferden die Augen verbinden mußten, um das blendende Funkeln zu dämpfen. Da sie keine Lasttiere hatten, waren Essen und Wasser streng rationiert, und sie alle litten schwer unter Hunger und Durst.
Das schlimmste von allem war jedoch die grausame Hitze. Während des früheren Teils ihrer Reise hatte immer ein unruhiger Nachtwind geweht, um sie, während sie ritten, zu kühlen. Aber dieser Wind hatte sich mit dem ungewöhnlichen Wetterwechsel gelegt und die Wüste so zu einem erstickenden Glutofen gemacht. Jede Nacht erhob sich die aufgestaute Hitze des Tages wie in einer Welle vom Wüstenboden, um die Reiter zu verschlingen, und die Luft war schwer und drückend. Die verkrusteten Felle der Pferde waren dunkel und
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