Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
Abschaum, wie du es bist, zu besudeln!«
Miathans Stimme hatte die Kraft, seine Opfer in ihrem Bann zu halten. Anvar blickte zu Aurian auf, die hilflos vor ihm lag, und er spürte, wie sein lange unterdrücktes Verlangen sich wieder regte. Er hörte Aurian keuchen. Die Angst und die entsetzlichen Zweifel in ihren Augen schossen durch ihn hindurch wie ein Schwert, als er begriff, daß Miathan sie hereingelegt hatte. Er funkelte den Erzmagusch wütend an, und sein Verstand war durch das Aufflackern seines Zorns, der wie eine eisige Flamme brannte, plötzlich wieder klar geworden.
»Ich bin kein Sterblicher, Miathan«, sagte er gelassen, »wie du selber weißt. Ich habe meine Kräfte, die du mir gestohlen hast, wiedererlangt. Und du brauchst deine Gelüste nicht auf mich zu übertragen – Aurian weiß ganz genau, wer von uns beiden sie besudeln will und wer sie beschützen wird –, sie mag hilflos sein, aber wenn du ihr zu nahe kommst, wirst du es mit mir zu tun bekommen.« Aber Miathan hatte den Kessel, und Anvars Worte waren leer, und er wußte es. Trotzdem sah er, daß Aurian ihm einen dankbaren Blick zuwarf, der jedoch von einer Grimasse verzerrt wurde bei dem Gedanken daran, seinen Schutz zu brauchen. Das war so charakteristisch für sie, daß es ihm trotz der Gefahr, in der sie schwebten, neuen Auftrieb gab.
Miathan, ungerührt vom Fehlschlagen seines Plans, grölte vor Lachen und Hohn. »Du hättest bei deinem früheren Ehrgeiz, Sänger und Spielmann zu werden, bleiben sollen, mein Junge. Schon jetzt schenkst du mir die Belustigung, die ich erwartet habe. Denn wisse dies« – seine Stimme wurde plötzlich hart – »ich habe euch beide nicht aus Herzensgüte aus dem Brunnen der Seelen gerettet.«
»Das stimmt – denn du hast kein Herz!« fuhr Aurian auf.
»Still!« Seine ausgestreckte Hand ließ einen harten Hieb aus Schwärze über ihr Gesicht krachen. Sie taumelte, unterdrückte aber einen Aufschrei und biß sich vor Schmerz auf die Lippen.
Anvar, der nun vor Wut kochte, obwohl er kurz zuvor noch eiskalt gewesen war, versuchte sich auf Miathan zu stürzen, aber der Erzmagusch ließ ihn mit einer beiläufigen Geste erstarren und sprach weiter, als sei nichts geschehen. »Ich hätte euch hier umkommen lassen können und mir damit eine Menge Ärger erspart, wenn ich euch als Bedrohung betrachtet hätte. Aber ich bin noch nicht fertig mit euch, mit keinem von euch. Es würde mich bekümmern, Anvar, wenn dein Tod schmerzlos und schnell wäre, und was dich betrifft, meine Liebe«, er wandte sich mit einem klaren Grinsen an Aurian, »habe ich ganz andere Pläne. Bis wir uns in Fleisch und Blut wieder gegenüberstehen, könnte ich euch damit unterhalten, euch euer jeweiliges Schicksal vorzustellen, aber für den Augenblick – lebt wohl!«
Als der Erzmagusch sein letztes Wort gesprochen hatte, begann die Szene zu schwanken und sich vor Anvars Augen aufzulösen. Er schloß sie für einen Augenblick, um den schwindelerregenden Strudel zu bremsen, und als er sie wieder öffnete, war er zurück in der Oase. Ein widerwärtiges, schwefliges Licht lag über den Dünen, und die Sonne bemühte sich nach Kräften, die unheilvollen Wolkenbänke am Horizont zu durchdringen. Ich muß eingeschlafen sein, dachte Anvar. Götter, was für ein Alptraum! Aber in diesem Augenblick öffnete auch Aurian die Augen, und in ihnen lagen Entsetzen und eine furchtbare, flaue Angst, die ein Ebenbild seiner eigenen Gefühle war.
Aurian konnte nicht erklären, was am Brunnen der Seelen vorgefallen war. Ihre erste Vermutung bestand darin, daß Anvar eingeschlafen war und sein verängstigter Geist, befreit von den Fesseln der Welt des wachen Bewußtseins, es geschafft hatte, in die Domäne des Todes einzudringen und sie zu erreichen. Aber seine Erzählung von seiner Begegnung mit dem Schnitter der Seelen erfüllte sie mit ungeheurer Unruhe. Irgendwie erschien es ihr so vertraut … Als sie Anvar in Taibeth den Klauen des Todes entrissen hatte, hatte der Schnitter da nicht auch etwas von einem Handel gesagt? Wenn sie sich doch nur daran erinnern könnte … Und wie war Miathan dorthin gekommen?
Aurian zog eine Grimasse, als sie das Stück trockenes Fleisch in ihrer Hand erblickte. Ihr Hunger wurde überlagert von Schuldgefühlen, weil sie sich und Anvar dem Erzmagusch preisgegeben hatte, und von eisiger Furcht, die an ihren Eingeweiden zerrte. Miathan hatte recht gehabt. Ihre Kräfte, die sie bis an die Grenzen ausgebeutet hatte,
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