Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
sich Aurian ein wenig zaghaft bei Eliseth, nachdem sie die Räume der Zwillinge verlassen hatten.
Die Maguschfrau zuckte die Achseln. »Das wissen nur die Götter. Sie haben beide Maguschblut in den Adern – ihr Vater war der berühmte Wassermagusch Bavordran, und ihre Mutter war Adrina, die Erdmagusch. Miathan ist sich ganz sicher, daß sie irgendwelche Kräfte haben müssen, aber worin diese Kräfte auch bestehen mögen, bisher sind sie noch nicht in Erscheinung getreten. Wir glauben, daß es daran liegt, daß sie Zwillinge sind; sie sind jeder so in die Gedanken des anderen verstrickt, daß sie ihre Kräfte nicht freisetzen können. Davorshan zeigt eine gewisse Neigung für die Wassermagie, aber ihn scheinen die physikalischen Methoden mehr zu faszinieren als die magischen. Er hat lauter Pumpen und Röhrenaquädukte und solche Dinge im Sinn. Wir sagen ihm natürlich immer wieder, daß dergleichen etwas für Sterbliche ist – uns stehen ganz andere Methoden zur Verfügung – aber wir können ihm diesen Unsinn nicht austreiben. Und was D’arvan betrifft, der kann nicht einmal Luft holen ohne die Hilfe seines Bruders. Ich habe dem Erzmagusch gesagt, es sei Zeitverschwendung, aber Miathan besteht darauf, daß wir es weiter mit ihm versuchen sollen.«
Von dem letzten Magusch, Bragar, schien Eliseth jedoch ausnahmsweise einmal sehr viel zu halten. Seine Disziplin war die Feuermagie – wie bei Aurians Vater Geraint –, und Aurian freute sich darauf, ihn kennenzulernen. Ihre Begeisterung wurde jedoch im Keim erstickt, als sie ihn zum ersten Mal sah. Bragar war ausgezehrt und vollkommen kahlköpfig. Seine dunklen Augen entbehrten, wie die Eliseths, jeglicher Wärme und jeglichen Ausdrucks und verliehen ihm ein reptilienhaftes Aussehen. Seine Aura war ebenso dunkel wie seine purpurfarbenen Roben, und Aurian konnte trotz ihrer Jugend und Unerfahrenheit die Grausamkeit seiner Natur spüren, die ihn wie der schwärzeste aller Flügel überschattete. Er blickte über seinen hohen Nasenrücken auf sie herab, als wäre sie ein interessantes Exemplar irgendeiner Insektenspezies, und seine Stimme war, wenn er sich überhaupt dazu herabließ, mit ihr zu sprechen, sardonisch und herablassend. Aurian bekam in seiner Gegenwart eine Gänsehaut, und sie schwor sich, daß sie ihm in Zukunft aus dem Weg gehen würde. Sie wußte bereits, daß sie das Talent ihres Vaters, die Feuermagie, geerbt hatte, und der Gedanke, unter Bragar daran zu arbeiten, erfüllte sie mit Furcht.
Die Wochen, die Aurians Ankunft in der Akademie folgten, wurden zu einem langen, unentrinnbaren Alptraum. Sie stand einzig und allein unter Eliseths Obhut, und die Magusch begegnete ihr stets mit der gleichen Härte. Aurian ermangelte es vollkommen an einer ordentlichen Ausbildung in Magie, und daher hatte sie ihre Kräfte bisher immer nur spontan und instinktiv eingesetzt. Nun mußte sie lernen, ihr ungebändigtes Talent zu bezähmen, um die kontrollierte Konzentration der Macht zu erlangen, die das wahre Geheimnis der Magusch war. Und das konnte man Eliseths Meinung nach nur durch die endlose Wiederholung von Übungen und Trainingsaufgaben erreichen, die in Aurians Augen nichts erklärten und nur wenig bewirkten.
Eliseth quälte sie mit Feuermagie, ließ sie eine Kerzenflamme entzünden oder auslöschen, größer oder kleiner werden. Aber Aurian hatte nicht die geringste Vorstellung, wo sie beginnen sollte. Sie versagte auch auf dem Gebiet der geistigen Verständigung – ohnehin eine Seltenheit unter den Magusch, obwohl Aurian das nicht wußte –, da zwischen ihr und Eliseth keinerlei Freundschaft herrschte. Einen begrenzten Erfolg konnte sie im Bereich einfacher Schwebezauber und in der Erdmagie verzeichnen, während die Wassermagie ihr vollkommen verschlossen blieb. Die Magie der Luft – die das Spezialgebiet der Wettermagusch Eliseth war – hatte die Maguschfrau angesichts Aurians schwacher Leistungen von vornherein als viel zu schwierig vom Lehrplan gestrichen.
Forrals Konzentrationsübungen halfen ihr ein wenig, aber für Aurian war es ein großer Unterschied, ob sie ihren Willen auf ein bestimmtes Ziel richten oder ihren Geist zu strenger Disziplin zwingen mußte. Ein ums andere Mal war es irgendeine Kleinigkeit, die ihre Aufmerksamkeit ablenkte, und sie verlor entweder ihre mühsam gesammelten Kräfte wieder, oder sie gerieten außer Kontrolle und führten zu unglücklichen Ergebnissen. Eliseths Strafen anläßlich solcher Pannen waren
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