Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
Besitztümer und Kleidungsstücke zu verstauen.
Aurian besaß nichts, was sie hätte einräumen müssen. Außer den Kleidern, die sie am Leibe trug, war ihr Schwert alles, was sie hatte. Als Eliseth es sah, runzelte sie die Stirn. »Das kannst du nicht behalten«, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme. »Es ist viel zu gefährlich für ein kleines Mädchen. Gib es mir.« Sie griff nach dem Schwert.
In Windeseile hatte Aurian die Klinge aus der Scheide gezogen, wie Forral es ihr beigebracht hatte. »Wage es nicht, mein Schwert anzufassen!«
Eliseths Augen wurden schmal, und sie machte eine merkwürdige, zuckende kleine Geste mit der linken Hand. Aurian stöhnte auf, als eine kalte, durchscheinend blaue Wolke sie plötzlich einschloß. Sie konnte sich nicht mehr rühren. Ihr Körper war festgefroren. Eisige Kälte schien sich bis in ihre Knochen hineinzubohren. Eliseth stürzte sich auf sie und entriß Coronach ihren widerstandslosen Fingern. Dann blickte sie mit kalten Augen auf sie herab. »Hör mir zu, du kleines Biest«, zischte sie. »Solange du hier bist, wirst du Disziplin und Gehorsam lernen – vor allem, mir zu gehorchen –, oder du wirst unter den Konsequenzen leiden! Jetzt werde ich die Näherin holen, damit sie dir ein paar anständige Kleider anpaßt, und als Strafe für dein widerspenstiges Benehmen kannst du so bleiben, bis ich zurückkomme!«
Sie fegte aus dem Zimmer, nahm das Schwert mit sich und ließ Aurian immer noch festgefroren und unfähig, auch nur zu weinen, zurück. Obwohl sie vor Haß auf die kaltäugige Eliseth schäumte, hatte die Lektion ihre Spuren hinterlassen. Aurian hatte bereits gelernt, sie zu fürchten.
Später an jenem Tag führte Eliseth ihren in sich gekehrten und unglücklichen Schützling durch die Akademie. Dort gab es eine Menge zu sehen. Der Felsen hatte die Form einer breiten Speerspitze, die oben in der runden Einfassung der hohen Mauer endete, die die steilen Abhänge auf allen Seiten sicherte. Das Haupteingangstor befand sich dort, wo der Schaft des Speeres hätte ansetzen müssen. Links davon stand ein kleines Pförtnerhaus. Jenseits des Tores schlängelte sich die steile Straße, die Aurian am Vortag erklommen hatte, den Damm hinunter bis zum unteren Pförtnerhaus.
Von allen Gebäuden aus konnte man in den zentral gelegenen, ovalen Hof hinabblicken, dessen Boden ein buntes Mosaik aus Steinplatten bedeckte. In der Mitte sang ein eleganter Springbrunnen sein tröstliches, plätscherndes Lied, während er gleichzeitig federzarte Wasserbögen in ein weißes Marmorbecken sandte. Vom Pförtnerhaus gesehen links befand sich Meiriels kleine Krankenstube, und daneben lagen die Küchen und die Quartiere der Dienerschaft, die an die Große Halle mit ihren hoch emporstrebenden Bogenfenstern angrenzten. Dahinter, wo die Mauer einen Bogen beschrieb, um die Akademie vom äußersten Ende des weit hervorragenden Felsens abzutrennen, stand der elegante, stolze Turm, in dem die Magusch lebten. Dem Turm gegenüber, auf der anderen Seite des Ovals, lag die riesige Bibliothek mit ihrer vielschichtigen, verschlungenen Architektur, und dahinter erstreckten sich in einem Bogen zum Haupttor hin die Seminargebäude zum Studium der verschiedenen Disziplinen der Magie. Beherrscht wurde dieser Komplex von dem massiven, weißen Wetterdom, dessen Silhouette meilenweit sichtbar war.
All diese Gebäude einschließlich des Pförtnerhauses und der bescheidenen Dienstbotenquartiere waren aus blendend weißem Marmor erbaut, der ganz von einem inneren perlmuttartigen Schimmern erfüllt war. Er war atemberaubend schön – und Aurian, verängstigt und von Heimweh geplagt, wie sie war, haßte ihn, obwohl sie alles voller Staunen betrachtete: die große Bibliothek mit ihren unbezahlbaren Archiven, den offenen Tempel hoch oben auf dem Dach des Maguschturms mit seinen großen, hoch aufgerichteten Steinen und die imposante Große Halle, die nun, da die Magusch nur noch so wenige waren, kaum mehr benutzt wurde.
Aurian lernte auch das besondere fensterlose Gebäude kennen, dessen Türen und Inneneinrichtungen aus Metall waren, damit man dort gefahrlos die Feuermagie studieren konnte. Ein niedriges weißes Gebäude enthielt einen tiefen Teich und viele Springbrunnen, Flüsse, Kanäle und Wasserfälle zum Studium der Wassermagie. Dann gab es da noch ein großes Gebäude aus Glas, das Pflanzen, Gräser und sogar einige kleine Bäume enthielt. Es erinnerte Aurian schmerzlich an den Arbeitsraum ihrer Mutter in
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