Die Artefakte der Macht 01 - Aurian
Anvar schauderte wimmernd zurück.
»Nein, Miathan!« Aurians Stimme klang entsetzt.
»Aurian, misch dich nicht ein«, sagte Miathan scharf. »Der Elende hat seine Verpflichtungen verletzt und muß bestraft werden.«
»Bestraft?« Aurians Stimme erhob sich ungläubig. »Er ist genug bestraft worden! Hast du gesehen, was Janok ihm angetan hat?«
»Sie hat recht, Miathan«, sagte Forral. »Das übersteigt jedes Maß.«
»Kümmere du dich um deine eigenen Angelegenheiten!« schnauzte Miathan den Schwertfechter an.
»Es ist meine Angelegenheit.« Forrals Miene verfinsterte sich. »Es ist meine Pflicht, dem Gesetz in Nexis Geltung zu verschaffen, und ich werde meine Augen nicht vor solcher Brutalität verschließen, ganz gleich, ob Magusch damit zu tun haben oder nicht. Selbst ein Sklave hat Rechte. Wie würdet Ihr dastehen, wenn sich diese Geschichte herumspricht?«
Anvar fühlte Hoffnung in sich aufsteigen. Sie verteidigten ihn. Sie verteidigten ihn beide, sogar die Magusch! Miathan schien in die Defensive zu geraten, aber er fing sich schnell wieder. »Mein lieber Forral, du mißverstehst mich«, sagte er. »Natürlich darf es keine Wiederholung dieses unglücklichen Zwischenfalls geben, und ich versichere dir, daß ich dieser Sache nachgehen werde – und zwar genauestens.« Während er sprach, warf er Anvar einen finsteren Blick zu. »Du solltest aber wissen, daß dieser Sterbliche ein Unruhestifter und sehr gefährlich ist.«
»Auf mich wirkt er nicht gefährlich«, sagte Forral frei heraus. »Der arme Kerl ist vor Angst halb um den Verstand gebracht. Ihr könnt ihm sicherlich diesmal verzeihen, Erzmagusch. Er hat schon genug durchgemacht.«
»Bitte, Miathan – für mich.« Aurian sah den Erzmagusch vertrauensvoll an, während sie ihre Bitte aussprach. Wäre Anvar nicht selbst in einer so verzweifelten Lage gewesen, dann hätte er über den ohnmächtigen Ausdruck auf Miathans Gesicht sicher lachen können.
»Oh, natürlich«, murmelte der Erzmagusch schließlich. »Ich werde mit Janok sprechen, wenn ich wieder in der Akademie bin.«
Als der Name des Küchenmeisters fiel, stöhnte Anvar auf. Nicht wieder in die Küche! Er konnte nicht! Verzweifelt griff er nach der Hand der Maguschfrau, die neben ihm stand, und ließ sich vor ihr auf die Knie fallen. »Laßt nicht zu, daß sie mich dorthin zurückschicken«, bat er. »Er wird mich umbringen. Bitte …«
»Anvar!« Miathans Stimme war wie ein Peitschenhieb. »Wie kannst du es wagen! Laß Lady Aurian in Ruhe!« Er beugte sich zu Anvar herab, der sich vor Angst wegduckte und sein Gesicht in den Händen verbarg.
»Nein!« schrie er. »Bitte nicht wieder!« Er schrie noch einmal auf, als Miathans Bann seine Wirkung entfaltete; das eisige Band von Schmerz zog sich fest um seine Stirn zusammen. Hilflos zuckend fiel er zu Boden.
»Große Götter!« rief Aurian und kniete sich neben ihn.
Plötzlich war der Schmerz vorbei. Anvar, der wieder Luft bekam, blickte auf und erkannte die eindeutige Botschaft in Miathans funkelnden Augen – Wenn du etwas verrätst, wirst du sterben! Und er wußte, daß Miathan selbst den Schmerz zum Verschwinden gebracht hatte, bevor Aurian der Sache auf den Grund gehen konnte.
»Es ist schon gut«, murmelte er hilflos. »Ich bin in Ordnung.«
Aurian runzelte die Stirn. »Was zum Kuckuck war das? Ich verstehe nicht …« Sie blickte den Erzmagusch an. »Was hat er gemeint, Miathan? Du hast ihm doch nichts getan, oder?«
Der Erzmagusch lachte laut auf. »Mach dich nicht lächerlich! Es ist doch klar, daß der Bursche nicht bei Sinnen ist.«
»Das scheint mir nicht so.« Aurian schüttelte langsam den Kopf. »Nein, er ist nur verängstigt, da bin ich mir sicher. Es ist jedenfalls sehr merkwürdig. Wo kommt er her?«
»Wirklich, Aurian. Ist all dies Hin und Her jetzt unbedingt nötig?« sagte Miathan verdrossen. »Laß mich ihn zurück in die Akademie schicken, und dann können wir vielleicht endlich genießen, was vom Tag noch übrig ist.«
»Miathan, du darfst ihn nicht zurück in die Küche schicken«, bat Aurian. »Nicht nach dem, war er durchgemacht hat. Warte – ich weiß!« Ihr Gesicht hellte sich plötzlich auf. »Du hast mir schon lange einen eigenen Diener versprochen. Gib ihn mir!«
»Was?« donnerte Miathan. »Auf keinen Fall! Das kommt überhaupt nicht in Frage!«
Aurians Augen weiteten sich vor Überraschung, so unerwartet kam diese Ablehnung. Sie stand auf, baute sich vor dem Erzmagusch auf, ihre Kinnlade trotzig
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