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Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Titel: Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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alte Lehrerin hatte ihn jedoch davon abgehalten, die Wahrheit vor Schwarzkralle herauszusprudeln und sie zu verraten. Das hätte sehr wohl den Tod seiner alten Lehrerin bedeuten können. Schwarzkralles Spione waren überall in der Zitadelle, und er hatte Ohren in jedem Raum.
    Es war Elster, die dafür verantwortlich gewesen war, daß Cygnus seine Karriere als Tempelwache für ›den Pfad des Lichts‹ aufgegeben hatte, wie die Geflügelten das Studium der heilenden Kunst nannten. Mit einer einzigen Tat hatte die Meisterärztin sein Leben für alle Zeit verändert. Cygnus war in jenen Tagen nichts als der sorglose Sproß einer berühmten Familie gewesen, gesegnet mit einem unbekümmerten Geist und einer Schnelligkeit, die sowohl Körper als auch Verstand umfaßte. Wie man es von ihm in der dem Kastenwesen unterworfenen Gesellschaft des Himmelsvolkes erwartete, war er der Syntagma beigetreten, der elitären Kriegerwache der Priesterschaft, und war dort bestens vorwärtsgekommen – bis zu dem Tag, an dem er um ein Haar den Tod von Sonnenfeder, seinem engsten Freund, verschuldet hätte.
    Der Unfall fand während einer Trainingsübung statt, bei einer gewaltigen Kollision mitten in der Luft, die ganz und gar seiner eigenen Unaufmerksamkeit zuzuschreiben war. Cygnus, der genug Platz in der Luft hatte, um seinen taumelnden Sturzflug wieder unter Kontrolle zu bekommen, entging der Strafe für seine Unvorsichtigkeit. Sonnenfeder, der durch den Zusammenstoß bereits bewußtlos gewesen war, war direkt gegen einen Berghang geprallt. Cygnus, zu erschüttert für Worte, hatte sich zu der entsetzten Traube seiner Kameraden hinzugesellt, die sich um das Opfer geschart hatte, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sein Freund aufhörte zu atmen. Genau in diesem Augenblick war Meisterin Elster erschienen. Zerbrechlich, alt und zerzaust von ihrem hastigen Aufbruch, hatte sich Elster mit wenigen energischen Worten ihren Weg durch die Menge gebahnt. Ihr düster dreinblickendes, feinknochiges Gesicht war durchzogen von Falten und gekrönt von einer Fülle seidigen Haares, das auf auffällige Weise schwarz und weiß gesträhnt war. Ihre knochige Gestalt war in zusammengefaltete Flügel gehüllt, deren Federn bunt gescheckt und von einem kühnen Muster gezeichnet waren. Cygnus sah voller Ehrfurcht und mit wachsender Ungläubigkeit zu, wie sie auf Sonnenfeders Brust schlug und ihm den Atem ihres eigenen Lebens in die Lungen hauchte, bis sein Freund wieder selbst zu atmen begann.
    Sonnenfeder hatte den Sturz überlebt, eine Tatsache, die Cygnus wie ein Wunder erschien. Elster hatte ihm nicht nur viel Trauer erspart, sondern ihn auch vor der lebenslangen Last der Schuld bewahrt. Seine Bewunderung für die ältere Ärztin kam beinahe glühender Verehrung gleich. Wie hatte sie das Wunder bewirkt, den Toten wieder ins Leben zurückzuholen? Plötzlich schien es Cygnus eine weit würdigere Tat zu sein, Leben zu retten, als es zu nehmen, wie man es ihn bisher gelehrt hatte.
    Es hatte jedoch längere Zeit gedauert, bis es ihm gelang, Elster davon zu überzeugen, daß er es mit seinem neuen Ehrgeiz ernst meinte. Erst als er seine Stelle in der Syntagma aufgegeben hatte und daraufhin von seiner Familie verstoßen wurde, stimmte sie endlich und auch nur widerwillig zu, ihn in die Lehre zu nehmen. Sie war sicher, daß er die langen Jahre der mühsamen und vielfältigen Ausbildung niemals durchhalten würde. Cygnus hatte sich darangemacht, ihr das Gegenteil zu beweisen, und damit ihre Bewunderung und ihre Zuneigung gewonnen – bis er ihr beim Einbruch dieses furchtbaren Winters wegen eines anderen, finstereren Lehrers die Treue gebrochen hatte.
    Als der Weiße Tod seine Klauen in ihre Berge schlug, fielen die Geflügelten in großer Zahl der Kälte zum Opfer. Überall um den gepeinigten Cygnus herum erlagen die Bewohner Aerillias einem langsamen, qualvollen Tod, starben an Kälte, Krankheit und Entbehrung. Der junge Arzt konnte das Ungeheuer nicht besiegen; all die Künste, auf die er so stolz gewesen war, waren machtlos dagegen. Cygnus begann an sich selbst und seinen Fähigkeiten zu zweifeln, und die Nutzlosigkeit all seiner Versuche umfing ihn, bis sein Verstand nur noch haltlos in einer See aus Finsternis trieb.
    Cygnus, der in einem Morast aus Verbitterung und Verzweiflung versank, klammerte sich hilflos an den letzten, schwachen Hoffnungsschimmer – Schwarzkralle und seine Opferungen. Weil er sonst nichts mehr hatte, woran er hätte glauben

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