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Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Titel: Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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leichtesten, die er finden konnte – in ihrer Position festgehalten. Beschädigte Muskeln und zerrissene Haut waren jetzt wieder an Ort und Stelle und mit Hunderten winzigster Stiche gesichert.
    Der Flügel sah wieder aus wie ein Flügel – beinahe. Als er noch einmal über sein Werk nachdachte, erinnerte Cygnus sich an Knochen, die so zersplittert waren, daß man sie nicht mehr reparieren konnte, an einzelne Stücke, die fehlten und unauffindbar blieben. Schlüpfrige Sehnenfäden, die nicht wieder miteinander verbunden werden konnten, und Muskeln, die für alle Zeit schwach bleiben würden, wenn sie überhaupt noch funktionierten. Ob es ihm gelungen war, die zerstörten Gefäße soweit wiederherzustellen, daß das Blut in den Flügeln wieder zirkulieren konnte? Auch das würde nur die Zeit zeigen. All seine gewissenhafte Arbeit konnte durchaus umsonst gewesen sein. Cygnus spürte, wie das Glühen der Befriedigung in ihm zu Asche erstarb, und wandte sich fluchend ab. »Welchen Unterschied macht es schon?« fragte er verbittert. »Sie wird so oder so nie wieder fliegen.«
    Elster, die am anderen Flügel ein ähnliches Wunder der Wiederherstellung bewirkt hatte, seufzte. »Das stimmt«, sagte sie milde. »Wir hätten uns die Zeit genausogut sparen und ihr die nutzlosen Dinger von Anfang an abhacken können. Die Königin ist bereits verkrüppelt. Welchen Unterschied würde es für sie schon machen, wenn sie auch noch furchtbar entstellt wäre?«
    Cygnus spürte, wie sein Gesicht heiß vor Scham wurde. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, gestand er.
    Elster hob eine Augenbraue. »Ja, und das ist der Grund, warum ich Meisterin bin und du nicht. Es gibt zwei Dinge, die einem wahren Arzt niemals fehlen dürfen. Er muß Talent haben und Mitleid. Immer auch Mitleid.«
    Cygnus nickte und akzeptierte die Weisheit ihrer Worte. »Aber Meisterin«, fuhr er erschöpft fort, »was wird geschehen, wenn sie aufwacht und die Wahrheit entdeckt?«
    Elster fuhr sich unglücklich mit der Hand durch ihr schwarzweiß gesträhntes Haar und zeigte ausdruckslos auf den Verband an Rabes Arm. »Du glaubst, sie weiß es nicht schon?«
    Cygnus nickte. »Etwas in der Art habe ich mir schon gedacht. Die ganze Zeit, während ich an diesem Flügel gearbeitet habe, habe ich gedacht: Was wäre, wenn mir das zugestoßen wäre? Und da wußte ich, daß ich – mit dem Wissen, daß mir der Himmel für immer verweigert sein würde – auch nicht den Wunsch gehabt hätte, weiterzuleben. Und ich dachte, wenn ich ihr Leben retten wollte, dann müßte ich diesen Flügel so reparieren, daß sie ihn wieder benutzen könnte, sonst wäre alles vergeblich gewesen.«
    Die Meisterin legte ihm einen Arm um die Schultern. »Ich weiß«, sagte sie sanft. »Ich habe dich beobachtet, während ich arbeitete. Auf deinem Gesicht stand eine solche Entschlossenheit, während du an diesen winzigen Teilen gearbeitet hast, und ich habe innerlich geblutet wegen der Traurigkeit, die du ertragen mußtest. Aber alle Ärzte kommen früher oder später an diesen Punkt, wo das Beste, was sie tun können, nicht gut genug ist. Mein Junge, nur Yinze allein könnte ihr helfen, jemals wieder zu fliegen. Es wäre bei weitem gütiger gewesen, sie einfach dort sterben zu lassen, wo sie lag, wie sie es gewiß gewünscht hätte. Aber sie darf nicht sterben.« Ihre Stimme wurde hart. »Jetzt, da Flammenschwinge tot ist, ist dieses zerbrechliche, verkrüppelte junge Mädchen die Königin, und sie wird gebraucht werden, wenn …« Hastig rief sie sich wieder zur Ordnung. »Wenn unser Volk einen Herrscher haben soll. Unglücklicherweise muß irgend jemand sie dazu bringen, das einzusehen; und diese Aufgabe wird uns zufallen.«
    Cygnus öffnete den Mund, aber nach dem Mord an Flammenschwinge und der Verstümmelung ihrer Tochter fiel ihm nichts ein, was er hätte sagen können. Obwohl er auf Schwarzkralles Befehl gehandelt hatte, klebte Flammenschwinges Blut auch an seinen Händen. Er allein trug mit seinem Verhalten die Verantwortung dafür, daß Rabe nun so leben mußte: mutterlos, verkrüppelt – und als Königin.
    Plötzlich verschwand der Anblick von Rabes verstümmeltem Körper hinter einem Vorhang aus Tränen. Cygnus verbarg sein Gesicht in zitternden Händen. »Es tut mir leid«, flüsterte er. »O ihr Götter, es tut mir so leid!«
    »Das sollte es auch, aber das ist noch nicht genug.« Elster sah ihn streng an. »Nur Yinze weiß, was in dich gefahren ist, Cygnus. Du, ein Heiler, mein

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