Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
einem Kissen abstützte, und Nereni und Eliizar lagen zusammengerollt in einem Nest aus Decken. Aber wo waren die anderen? Er hielt erschrocken den Atem an, bis ein leises Murmeln von Stimmen aus dem Stockwerk über ihm verriet, wo Aurian und Anvar steckten. Yazour lächelte. Sie nutzten eine der seltenen Gelegenheiten, allein zu sein, und wer konnte ihnen einen Vorwurf daraus machen? Damit war nur noch Rabe übrig – aber warum sollte sie verschwinden? Er erhob sich, um der Sache auf den Grund zu gehen, und gerade in diesem Augenblick flog die Tür des Zimmers auf, und Harihns Männer stürzten ins Zimmer.
Yazour sprang auf die Füße und zog sein Schwert. »Feinde!« brüllte er. »Wacht auf!« Sein Herz krampfte sich vor Zorn zusammen angesichts des Betrugs, denn er erkannte jedes einzelne Gesicht seiner Angreifer. Bevor er den Dienst des Prinzen verlassen hatte, waren diese Männer treue Gefährten gewesen, die unter seinem Kommando gestanden hatten. Jetzt war er ihr Feind. Yazour wurde das Herz schwer. Wenn Harihn ihn gefangennahm, konnte er keine Gnade von dem Prinzen erwarten. Dann stürzten sich seine Feinde auf ihn, und es blieb ihm keine Zeit mehr für weitere Gedanken.
Shia sprang mit einem lauten Fauchen auf, als die Tür aufgerissen wurde. Die beiden ersten Männer fielen ihren Klauen zum Opfer, bevor Yazour noch sein Schwert ziehen konnte, und dann waren ihre Kameraden neben ihr und verteidigten sich gegen die Übermacht der Angreifer. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Eliizar zu Boden stürzte, und sie machte einen Schritt zurück, um ihn zu verteidigen – aber Bohan war bereits da und kämpfte mit der Kraft von drei Männern. Nereni rannte schreiend zu ihrem Mann, um ihm zu helfen, und binnen weniger Sekunden war Eliizar wieder auf den Beinen und kämpfte mit einer Hand, während er die andere auf seine blutende Seite preßte. Nereni ihrerseits schleuderte mit wilden Flüchen brennende Zweige aus dem Feuer in die Schar von Harihns Männern, die sich noch immer mit aller Gewalt durch die Tür zwängten.
Die große Katze schlug mit den Klauen wild um sich, wobei ihre Bewegungen von tödlicher Präzision waren, so daß sie ihren Feinden grauenvolle Verletzungen beibrachte – aber es waren so viele! Voller Verzweiflung blickte sie über ihre Schulter hinweg zur Treppe. Wo waren Aurian und Anvar? Warum kamen ihnen die Magusch nicht zu Hilfe? Als sie sich in ihren Gedanken mit Aurian verband, sah sie die Szene, die sich oben abspielte, mit den Augen ihrer Freundin. Geflügelte! Aurian und Anvar gefangen. Heiße Furcht durchströmte Shia; was würde mit ihren Kameraden geschehen? Sie kämpfte sich bereits ihren Weg zur Treppe frei, als sie Aurians Stimme in ihren Gedanken hörte, die ihr befahl, wegzulaufen.
»Hast du den Verstand verloren? Ich werde dich nicht im Stich lassen!«
»Du mußt. Wenn wir den Stab verlieren, sind wir am Ende.«
Shia stieß ein zorniges Fauchen aus. Nur widerwillig kehrte sie dem Kampf den Rücken und sprang in die schattige Ecke neben dem Kaminsims, wo der Stab der Erde an der Wand lehnte. Die große Katze verkrampfte sich, bevor sie ihre Kiefer um das verhaßte magische Ding schloß. Dann wandte sie sich wieder an Aurian. »Ich habe ihn. Ich gehe!«
Obwohl der lange, unhandliche Stab, den sie zwischen den Zähnen hielt, sie sehr behinderte, war sie entschlossen, auf ihrem Weg zur Tür soviel Unheil anzurichten wie nur möglich.
Als Shia mit dem Stab zwischen den Kiefern in Aktion trat, reagierte Yazour instinktiv, um aus der allgemeinen Verwirrung seinen Vorteil zu ziehen. Sie waren hoffnungslos in der Minderzahl – es war vernünftig, wenn so viele wie möglich von ihnen versuchten, sich zu befreien und nach draußen zu entkommen. Mit wilden Schwerthieben schlug er sich hinter der großen Katze seinen Weg frei und kümmerte sich in seiner Verzweiflung nicht darum, daß diese Männer einst unter seinem Kommando gestanden hatten. In dem überfüllten Raum brach absolutes Chaos aus. Schwerter sausten durch die Luft, und – Männer stolperten übereinander, um den furchtbaren Zähnen und Klauen der großen Katze zu entgehen. Der Boden war glitschig geworden vom Blut der Toten und Gefallenen, aber Yazour, der um sein Leben kämpfte, schaffte es schließlich doch, zur Tür zu gelangen, und stürzte hinaus in die eiskalte Nacht.
Mit jedem keuchenden Atemzug schoß ihm die Kälte in die Lungen, und der Schnee unter seinen Füßen war dick und trügerisch. Yazour
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