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Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe

Titel: Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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wußte, wenn er fiel, war er am Ende, aber er wagte es dennoch nicht, seinen Schritt zu verlangsamen. Hinter sich hörte er den Ruf eines Bogenschützen. Beim Schnitter, nein! Da er einen Atemzug auf einen Fluch verschwendet hatte, taumelte er kurz, bis das schiere Entsetzen seinen dahinschießenden Füßen neue Kraft verlieh. Wie ein gejagter Hase lief er im Zickzack zwischen den Bäumen hin und her, um den Bogenschützen zu verwirren, aber seine Füße rutschten bei jeder Seitwärtsbewegung auf dem glatten Boden aus. Tödliche Pfeilschafte übersäten den Schnee um ihn herum und die Haut zwischen seinen Schultern zog sich in furchtbarer Erwartung zusammen, denn er meinte jeden Augenblick, den Aufprall eines Pfeils zu spüren.
    Als der Pfeil ihn schließlich traf, riß er ihn von den Füßen. Feuer in seiner linken Schulter entlockte seiner Kehle einen schrillen Schrei, und Yazour brach, sich immer wieder überschlagend, im Schnee zusammen.
     
    Schiannath hatte den Kampfgeräuschen im Turm entsetzt gelauscht und wünschte von ganzem Herzen, er könnte den Fremden gegen die verfluchten Plünderer der Khazalim und der widerlichen Himmelsleute zu Hilfe kommen. Glücklicherweise hatte sein gesunder Menschenverstand die Oberhand behalten. Er hatte keine Ahnung, wer die Opfer waren – warum sollte er sein eigenes Leben aufs Spiel setzen? Auf der anderen Seite hatten sie jedoch, wenn sie Flüchtlinge waren, etwas mit ihm gemeinsam.
    Dann durchbrach ein grauenerregender Mißklang von Fauchen und Brüllen, vermischt mit Angst- und Schmerzensschreien, die Nacht. Iscalda bäumte sich erschrocken auf und zerrte an ihren Zügeln, um von ihm wegzukommen. Da er damit beschäftigt war, die Stute zu beruhigen, bevor man sie noch entdeckte, bemerkte er nicht, wie Shia aus dem Turm hinausschoß und im Wald verschwand. Was er dagegen sah, als er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Kampf richtete, war ein Mann, der in taumelndem Zickzacklauf bergab und auf den Paß zuflüchtete. Ein Bogenschütze der Khazalim erschien im Eingang des Turms. Der Gesetzlose, der es nicht wagte, dem anderen eine Warnung zuzurufen und damit auf sich selbst aufmerksam zu machen, konnte nur zusehen, wie der Bolzen durch die Luft flog und den Mann an der linken Schulter traf.
    Das Opfer taumelte und verlor durch den Aufprall des Pfeils das Gleichgewicht, so daß es mit dem Gesicht nach unten in den Schnee fiel. Schiannath hielt den Atem an und hoffte verzweifelt, daß der Mann wieder aufstehen würde. Der Bogenschütze zielte abermals, und sein zu Boden gefallenes Opfer war diesmal ein leichtes Ziel. Der Mann erhob sich taumelnd, der Bolzen flog – und beschrieb einen weiten Bogen um sein Ziel herum, als der lange, schlanke Pfeil, den Schiannath abgeschossen hatte, sich mit tödlicher Genauigkeit in die Augen des Bogenschützen bohrte und sein Gehirn zerschmetterte. Schiannath trat mit einem Fluch zurück, und seine Hand glitt von dem Schaft seines Bogens herunter. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Das war nicht sein Kampf. Aber erst als das Opfer so nah an ihm vorübertaumelte, daß er es beinahe hätte berühren können, begriff der Gesetzlose das ganze Ausmaß seines Irrtums. Der Flüchtling war ebenfalls ein Khazalim. Schiannath ließ die Hand sinken, die er bereits ausgestreckt hatte, um dem Mann zu helfen, und verschmolz wieder mit den Schatten, als er ihn vorbeigehen ließ. Sollten sich doch der Sturm und die Wölfe um den Kerl kümmern. Sollten die verfluchten Südländer ihren Flüchtling doch finden, und sollte dieser die Bastarde weit weg führen, weit weg von ihm und Iscalda.
     
    Aurian hörte das Schlurfen von Füßen auf Steinstufen, und einer von Harihns Männern betrat die obere Kammer, um sich vor dem Prinzen zu verbeugen, der jetzt Miathans brennende Augen hatte. »Der Turm ist gesichert, Herr, und die Prinzessin ist in den Händen des geflügelten Priesters. Die anderen sind im Kerker, aber die Katze ist entkommen und der Verräter Yazour leider auch. Ich hätte schwören können, daß einer unserer Bogenschützen ihn verwundet hat, als er floh, aber wir haben ihn im Sturm verloren.«
    »Egal. Er wird da draußen nicht lange überleben.« Der Prinz zuckte mit den Schultern und entließ den Mann mit einem kurzen Kopfnicken. Dann bahnte er sich vorsichtig den Weg über die Leichen der Gefallenen und durchquerte das Zimmer, um vor Anvar stehenzubleiben. Wieder einmal war sein Gesicht zu Miathans grausamen, erbarmungslosen Zügen verzerrt.

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