Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
Licht der untergehenden Sonne funkelte wie Feuer und Blut auf einem grimmigen, dornigen Dickicht aus Speerspitzen und gezückten Schwertern.
Obwohl Chiamh noch ein ganzes Stück entfernt war, hatte man ihn bereits gesehen. Ein ärgerliches Murmeln erhob sich über der feindselig gesinnten Menge. Dieses häßliche Geräusch, das wie das zornige Dröhnen eines zerstörten Hornissennestes klang, hallte innerhalb der schmalen, häßlichen Felswänden wider und stieg ihm wie eine überwältigende Flutwelle des Grolls und des Hasses entgegen. Chiamh hielt in dem scheinbaren Schutz der letzten Baumgruppen inne und kämpfte gegen den Widerwillen an, sich dieser Mauer pulsierenden, blutrünstigen Hasses weiter zu nähern. Plötzlich war er unendlich dankbar dafür, daß er die beiden Magusch sowie Aurians Freundin bei sich hatte, die ehrfurchtgebietende große Katze – deren männlicher Begleiter mit den beiden Himmelsleuten im Tal geblieben war, um Wolf und seine Pflegeeltern zu bewachen. Und natürlich waren da noch seine anderen Kameraden, seien es nun Fremdländer oder Xandim. Er brauchte ihre Hilfe, wie er noch nie zuvor Hilfe gebraucht hatte – er bezweifelte, daß selbst seine legendäre Großmutter allein mit einer solchen Krise fertiggeworden wäre –, und Chiamh hatte sich bereits völlig verausgabt, als er die Anstrengungen und die alptraumhaften Ängste der Vision durchlitt, die er für Aurian unternommen hatte.
Wäre es nicht die Zeit der Herausforderung gewesen, hätte die Magusch ihm überhaupt nicht erlaubt, mitzukommen. Jetzt, da sie herausgefunden hatte, welche Risiken mit einer solchen Vision verbunden waren, war sie außerdem noch wütend auf ihn – obwohl sie merkwürdigerweise noch wütender auf sich selbst war; sie fand, sie hätte ein solches Wagnis überhaupt nicht erst von ihm verlangen dürfen, obwohl er ihr absichtlich die möglichen Gefahren vorenthalten hatte.
Die beiden Magusch hatten Chiamh mit ihren magischen Kräften nicht in seine Vision folgen können, so daß sie gezwungen waren, sich auf das zu verlassen, was er ihnen erzählte. Auf diese Weise war das Windauge in der Lage gewesen, das entsetzliche letzte Bild vor ihnen zu verbergen. Er wünschte nur, er könnte es auch vor seinen eigenen Gedanken verborgen halten.
Jetzt, während er dem Ort der Herausforderung entgegenschritt, wurde ihm das Ausmaß seiner Entdeckung erst richtig bewußt, und das Windauge sah sich in einem quälenden Dilemma gefangen, auf brutale Weise hin und her gerissen zwischen zwei Treueeiden. Er konnte nicht länger Unwissenheit vortäuschen – das Schicksal der Xandim lag in seinen Händen. Wie leicht wäre es, seinen neuen Freunden den Rücken zu kehren und sie an die wütenden Massen zu verraten. Er brauchte lediglich Schiannath auf dieselbe Weise zu verzaubern wie Phalihas, und damit würde sich die Wahrscheinlichkeit gewaltig erhöhen, daß das Flammenschwert niemals gefunden wurde und sein Volk in Frieden weiterleben konnte. Die Magusch und ihre fremdländischen Gefährten würden mit Sicherheit ums Leben kommen, aber war ein solches Opfer wirklich zuviel verlangt, wenn doch auf der anderen Seite das Leben eines ganzen Volkes auf dem Spiel stand?
Und hast du die Bösen Mächte so schnell wieder vergessen? fragte er sich. Ohne Aurian und das Schwert werden sie mit Sicherheit triumphieren, und was wird dann aus den Xandim werden? Aber die Bösen Mächte waren ihm fremd und außerdem weit weg, und hatte er nicht gerade erst mit seiner Andersicht die offene und unmittelbare Bedrohung des Schwertes geschaut?
»Chiamh? Ist alles in Ordnung mit dir?« Das Windauge schrak schuldbewußt aus seiner Tagträumerei hoch. »Ich wußte, daß du dich noch ein Weilchen hättest ausruhen müssen«, sagte Aurian stirnrunzelnd, während sie ihn am Ellbogen faßte, um ihn zu stützen. »Du siehst schrecklich aus. Ich wünschte, du würdest mir wenigstens erlauben, dir einen Teil der Energie wiederzugeben, die du bei der Vision verloren hast. Du bist im Augenblick nicht in der Verfassung, zu tun, was nötig ist, und das weißt du auch.« In ihren Augen spiegelten sich Angst und Sorge wider, aber dann versuchte sie, ihm mit ihrer gewohnten Selbstsicherheit Mut zu machen. »Wir wollen dich nicht verlieren. Ich bin mit dir über die Berge geflogen und mit dem Wind über das Plateau geritten – ich würde auch in Zukunft nur ungern auf diese beiden Dinge verzichten müssen!« Sie lächelte ihn an – lächelte ihr typisches
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