Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
zu finden?«
»Also gut. Aber danach sollte ich besser rudern.« Grince musterte die wogende See mit einem finsteren Stirnrunzeln. »Die See geht mittlerweile zu hoch, um sich einfach weitertreiben zu lassen – Emmie hat mir erzählt, daß man, wenn die Wellen größer werden, mit dem Boot auf sie zuhalten muß, sonst läuft es einem voll.«
Aurian nickte und sah den Dieb mit neu erwachtem Respekt an. Der Junge hatte tatsächlich einen klugen Kopf auf den Schultern. Leise flüsterte sie: »Chiamh – sieh zu, daß du Wolf nach Möglichkeit irgendwie beschäftigst. Ich werde versuchen, mit Shia Kontakt aufzunehmen.«
Das Windauge nickte. »Wenn du damit fertig bist, werde ich die Winde reiten und sehen, wie weit wir von den übrigen Booten entfernt sind – oder von irgend etwas anderem.«
Aurian schloß die Augen, konzentrierte sich, und sandte ihre Gedanken vom Bug des Bootes aus kreuz und quer über den Ozean, um nach ihrer Freundin Shia zu suchen. Anfänglich traf ihr suchender Geist nur auf Leere. Dann spürte Aurian plötzlich, wie ein anderes Bewußtsein ihre Gedanken aufgriff.
»Aurian? Bist du das? Geht es dir gut? Na, wurde auch langsam Zeit, daß du aufhörst, faul herumzuliegen – dieser verflixte Mensch von dir hat mir die ganze Zeit das Leben schwergemacht. Du hast so lange geschlafen, daß ich schon dachte, du wolltest einen Winterschlaf halten!«
»Shia – wie tut das gut, dich zu hören! Wir sind in einem kleinen Boot …«
»Ja, das hast du mir gestern nacht schon erzählt. Wer ist bei dir?«
»Wolf ist hier, Grince und sein Hund – und rate mal, wer noch? Chiamh ist bei mir, und es geht ihm bestens. Er hat nicht einen Kratzer abbekommen!«
»Nein, wirklich! Das ist aber mal eine gute Nachricht!« Obwohl Shia ihre Gedankenstimme benutzte, war die Magusch sicher, im Hintergrund ein glückliches Schnurren zu hören. »Warte nur, bis Iscalda davon erfährt«, fuhr die Katze fort. »Sie war sicher, daß der arme Chiamh tot sei. Nach den Worten deines Menschen hier hat sie mitangesehen, wie eine Horde Soldaten ihn durchlöcherte. Ich glaube nicht, daß ich irgend etwas davon erwähnen werde, bevor ihr zu uns stoßt. Überraschen wir sie damit – nach all den Toten brauchen die Leute hier dringend eine gute Nachricht. Zanna hat heute morgen ihren Jüngsten verloren.«
»O, Shia – nein. Die arme Zanna. Was für eine schreckliche Neuigkeit!« Unwillkürlich warf Aurian einen Blick auf Wolf. »Shia, wir haben nichts zu essen an Bord und nur sehr wenig Wasser, und das Boot ist zu klein, um bei diesen Verhältnissen dem Meer noch lange zu trotzen. Glaubst du, die Nachtfahrer können uns finden?«
»Ja, das können sie.« Shia klang äußerst selbstgefällig. »Linnet hat sich auf die Suche gemacht. Wenn sie euch findet, führt sie uns zu euch, oder euch zu uns. Ihr braucht nur abzuwarten.«
Aurian wäre vor Erleichterung beinahe zusammengebrochen. »Das ist die beste Neuigkeit, die ich seit langer Zeit gehört habe, Shia. Dann sehe ich dich ja bald.«
»Ich kann’s kaum erwarten. Dann kannst du endlich selber mit diesem verwünschten Menschen reden.«
Die Magusch überbrachte den anderen die gute Neuigkeit, daß ihre Rettung unmittelbar bevorstand und nahm dann einen Schluck aus Grinces Wasserflasche, bevor sie sich zurücklehnte. »Wirst du, während wir warten, trotzdem nach dem Schiff suchen?« fragte sie Chiamh.
»Du brauchst dir keine Mühe zu machen, Windauge – und du, Kleine, brauchst nicht zu warten. Ich bringe euch hin.«
Das Boot wurde auf einer gigantischen Woge emporgehoben, und ein glatter, grauer Rücken brach ganz in der Nähe durch die Oberfläche des Wassers. »Ithalasa!« rief Aurian. »Du bist es! Aber wie hast du davon erfahren?«
Der Leviathan rollte sich herum, um sie mit einem einzigen dunklen, klugen, kleinen Auge zu betrachten. »Ich bin es tatsächlich – und glücklicherweise habe ich dich gerade noch rechtzeitig erreicht. Ich bin lange und schnell geschwommen, um an diesen Ort zu gelangen. Und was deine Frage betrifft, woher ich es weiß: Als du gestern nacht auf See gegangen bist, habe ich aus der Ferne die Macht der Artefakte gespürt. Seit du diese Welt verlassen hattest, habe ich Ausschau gehalten, habe gewartet und immer gewußt, daß du irgendwann zurückkehren würdest.«
»Aber was tust du denn hier in den nördlichen Gewässern?«
Ithalasa seufzte hörbar und besprühte dabei die Magusch und ihre Gefährten mit einem Nebelschleier winziger
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