Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
habe ich gründlich verpfuscht.« Unterwegs hatte sie dem Leviathan ihre Fehler gebeichtet.
»Das mag sein. Aber du hast deine Irrtümer eingesehen und hast die Dinge nicht noch schlimmer gemacht. Und sei versichert, selbst in diesem Augenblick tust du Buße. Laß dich von diesem Rückschlag nicht am letzten Hindernis zu Fall bringen. Deine Instinkte sind gut und richtig, Tochter. Vertraue ihnen nur, und alles wird gut sein.«
Der Leviathan berührte zum Abschied noch einmal sanft Aurians Geist und schwamm davon. Seine letzten Worte hallten noch lange, nachdem er verschwunden war, in den Gedanken der Magusch wider.
Als Aurian an Deck der Nachtfalke ging, fand sie Tarnal damit beschäftigt, seinen Leuten beizustehen. Bevor sie auch nur die Zeit hatte, ein Wort des Trostes über die Lippen zu bringen, hatte er sie am Arm gefaßt und ein Stück von den anderen weggeführt, um ungestört mit ihr reden zu können. »Bitte, Magusch – kannst du Zanna helfen? Ich weiß, wie sehr sie dich respektiert, und ich dachte …« Er brach ab und sein Gesicht verzog sich vor Gram. »Sie sitzt einfach nur da. Manchmal weint sie, aber sie sagt kein Wort. Es ist nicht so, als wäre sie nicht tapfer, aber erst ist Dulsina gestorben und dann Valand und heute morgen auch noch Yanis … Als junges Mädchen wollte sie ihn heiraten, mußt du wissen – bevor sie mich kennenlernte. Das waren zu viele furchtbare Erlebnisse auf einmal …«
»Schon gut, Tarnal.« Aurian legte dem jungen Mann tröstend eine Hand auf den Arm. Sie spürte, daß seine Sorge um Zanna mehr war, als er im Augenblick selbst verkraften konnte. »Keine Angst – Zanna ist eine starke Frau. Ich werde zu ihr gehen und mit ihr reden.«
Die Kabine lag im Dunkeln, und das eine Bullauge, über das sie verfügte, war mit einem Tuch verhangen, um das Tageslicht auszusperren. Mit ihrer Maguschsicht konnte Aurian Zanna erkennen, die mit um die Knie geschlungenen Händen in der Koje saß und ins Leere starrte. Die Magusch sagte nichts. Sie zog sich lediglich einen Stuhl heran und wartete.
»Wie kannst du das ertragen?« brach es schließlich aus Zanna heraus. »Aurian, du mußt doch wissen, wie das ist. Du hast Forral verloren und dann Anvar. In gewisser Weise hast du deinen Sohn an Miathans Fluch verloren. Wie schaffst du es nur, weiterzuleben?«
»Als ich ein junges Mädchen war«, sagte Aurian leise, »hat Forral mir den besten Rat meines Lebens gegeben. Wenn ein Problem zu groß erscheint, tue einfach das Nächstliegende. Mach diesen einen, ersten Schritt auf deinem Weg, und du wirst feststellen, daß die nächsten Schritte von selbst kommen.«
»Aber ich kann diesen ersten Schritt einfach nicht sehen. Die Straße, die jetzt vor mir liegt, ist dunkel.«
Die Magusch streckte eine Hand aus, und ein bernsteinfarbenes Maguschlicht erblühte über ihrer Handfläche und ließ die Schatten vor der trauernden Frau flüchten. »Da oben an Deck«, sagte sie ruhig, »kauern sich deine Leute in Wind und Hagel zusammen. Einige sind verletzt, und viele trauern genau wie du …«
»Bitte mich nicht, ihnen Trost zu spenden! Ich habe nichts zu geben!«
»Du hast deine Kabine, Zanna. Du könntest andere für eine Weile in Ruhe trauern lassen und den Verwundeten Wärme und ein Dach überm Kopf geben. Du könntest helfen.«
»Und meinen Kummer in guten Taten ertränken?« Zannas Stimme klang verbittert. »Ist das alles, was du mir an Rat zu bieten hast?«
Aurian zuckte die Achseln. »Du hast mich gefragt. Aber eines möchte ich dir noch aus eigener Erfahrung sagen – es ist unmöglich, deinen Kummer in guten Taten, gutem Wein oder sonst irgend etwas zu ertränken. Es ist einfach nur leichter, mit ihm zu leben, wenn du dich beschäftigst, statt im Dunkeln zu hocken und deinen Kummer mit jedem ›wenn doch nur‹ zu nähren, auf das du dich besinnen kannst. Es ist ein Fehler, den ich mehr als einmal gemacht habe, und ich habe ihn zu bedauern gelernt, glaube mir. Und denk dran – Vannor und Tarnal und vor allem der kleine Martek brauchen dich jetzt, genauso wie du sie brauchst. Ihr könnt einander helfen – nicht nur denen, die ihr hebt, sondern der ganzen Nachtfahrerfamilie. Der erste Schritt ist der härteste, Zanna – aber er führt dich direkt durch diese Tür da.«
Zanna blickte zuerst die Magusch an, dann die Tür. »Na gut«, sagte sie nach einem Augenblick. »Ich glaube, so weit werde ich es gerade noch schaffen.«
»Wo sind wir bloß, verflucht noch mal?« brüllte
Weitere Kostenlose Bücher