Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Sekunde zur anderen an einem vollkommen fremden Ort – in einer unheimlichen, unirdischen Welt, die von einem schillernden, grünen Licht durchzuckt wurde.
In der Höhle öffnete Wolf ein Auge und betrachtete Forrals reglosen Leib. »Ich nehme an, ich könnte das auch«, sagte er.
»Das könntest du wohl tatsächlich«, erwiderte Basileus. »Möchtest du es versuchen?«
Aurian sah den sich windenden Knoten aus Dunkelheit an, der der Erzmagusch war. Gut, dachte sie. Bringen wir diese Sache endlich hinter uns.
Ohne Vorwarnung schwammen die Zwillingsgestalten der Schlangen der Hohen Magie zwischen Aurian und den Erzmagusch. Sie waren nicht länger so klein, daß sie an Aurians Stab paßten, sondern ragten wie eine riesige Gestalt über den beiden Magusch auf.
»Hier, im Jenseits der Welten, gelten die Regeln von Gramarye«, sagte die Schlange der Macht plötzlich mit klarer Stimme. »In dieser höheren Sphäre der Existenz ist es verboten, die Magie ohne irgendwelche Beschränkungen anzuwenden. Ihr dürft weder magische Waffen noch andere Werkzeuge benutzen, um eure Kräfte zu vergrößern – diesen Wettbewerb müßt ihr mit Hilfe eurer eigenen, angeborenen Fähigkeiten entscheiden und, wichtiger noch, mit der Stärke eures Willens. Wenn ihr kämpft, muß euer Kampf klar strukturiert sein. Ihr müßt die Gestalt von Geschöpfen aus eurer eigenen körperlichen Welt annehmen und eure Kraft in die Dinge legen, die ihre natürlichen Waffen wären: Fangzähne, Stachel oder Klauen. Die Arena, in der ihr kämpft, und die dazugehörigen körperlichen Gestalten, die ihr annehmen müßt, werden den Elementen Luft, Feuer, Wasser und Erde entsprechen. Es wird einer gegen einen kämpfen, und niemand darf sich einmischen. Wollt ihr die Herausforderung aussprechen?«
Aurian sah den Erzmagusch an. »Nun?« fragte sie. »Willst du mich herausfordern?«
Miathans Antwort war das Letzte, was sie erwartet hätte. »Aurian, ich wollte niemals, daß es so wird. Das ist alles mein Schuld – gemeinsam hätten wir eine Größe erreichen können, von der noch in tausend Jahren die Legenden gesprochen hätten – hätte ich nicht alles zerstört. Aber selbst du mußt doch einsehen, daß jetzt Eliseth unsere eigentliche Feindin ist? Sie hat bereits den Kessel, und sie hat das Schwert erobert, auch wenn sie es nicht benutzen kann. Ihr seid gleichermaßen gerüstet, ihr beide – also gibt es keine Garantie, daß du sie besiegen kannst. In letzter Zeit scheinen sämtliche Scharmützel zu ihren Gunsten ausgegangen zu sein. Aber gemeinsam, Aurian, gemeinsam könnten wir sie für alle Zeit vom Antlitz der Erde entfernen! Aurian, ich habe dich immer geliebt, von Anfang an. Bitte, willst du es dir nicht anders überlegen? Willst du nicht jetzt noch auf meine Seite treten?«
Aurian dachte an Anvar, der in die Sklaverei verkauft worden war, dem der Erzmagusch seine magischen Kräfte gestohlen hatte. Sie dachte an den Tag, als sie ihr lang ersehntes Kind geboren und statt dessen einen Wolf vorgefunden hatte. Sie dachte an Forral, der so bleich und still und kalt im Tod gewesen war, und ihr Herz krampfte sich in ihrem Leib zusammen.
»Sprichst du die Herausforderung aus?« wiederholte sie, und ihre Stimme war wie Stein und Stahl und wie die endlose Leere zwischen den Sternen.
Die Wolke der Dunkelheit schien in sich zusammenzufallen. »Gibt es keine Vergebung?« flüsterte Miathan.
Die Stille lastete schwer auf ihnen, eine immer tiefer werdende Kluft zwischen der Magusch und dem, der einst ihr Lehrer gewesen war, ihr Beschützer – und ihr Verräter. Aurian empfand keinen Haß für ihn – sie stand jetzt weit jenseits solcher Gefühle. Sie empfand überhaupt nichts für ihn, bis auf eine stählerne Entschlossenheit, ihn endgültig loszuwerden. Miathan war in ihren Augen nicht mehr als Ungeziefer, eine Ratte, die nur um ihre eigene Haut zu retten, zu diesen jämmerlichen Tönen der Reue griff. Solange man ihm gestattete, in der Welt zu leben, würde seine Bosheit kein Ende finden – aber wie alle in die Enge getriebenen Ratten würde er jetzt so gefährlich sein wie nie zuvor. Aurian wußte, wenn Miathan die Herausforderung nicht aussprach, mußte sie es tun – was bedeutete, daß er dann in dem magischen Kampf, der der Herausforderung folgen würde, den ersten Schlag hätte und das Terrain bestimmen durfte. Und es waren noch andere Dinge zu bedenken. »Was ist mit dem Fluch, mit dem du meinen Sohn belegt hast?« fragte sie
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