Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
dürfen.
Aurian hatte die Schreie nicht gehört. Als sie die Tür zur Bibliothek erreicht hatte, waren sie bereits verklungen, und jetzt lagen die Korridore still, kalt und dunkel unter ihnen. Die Magusch war dankbar dafür, daß Anvar – nein, Forral – dicht neben ihr her ging, immer rechts von ihr, damit er seine Schwerthand frei hatte. Er hielt sich argwöhnisch von den großen Katzen fern, obwohl Aurian ihm erklärt hatte, daß ihre beiden Freunde lange nicht so wild waren, wie sie aussahen. Der Schwertkämpfer hatte anscheinend nicht die Absicht, Aurian so ohne weiteres zu glauben, und Shia machte das Ganze auch nicht besser. Nachdem sie in seinen Gedanken geforscht und jemand anderes als ihren geliebten Freund Anvar darin gefunden hatte, legte sie die Ohren flach an ihren Kopf und warf ihm einen haßerfüllten Blick zu.
Gemeinsam mit den Katzen sahen sie in jeden Raum in der oberen Etage, fanden aber nichts, was ihnen einen Hinweis auf die Identität des Menschen gab, der vorhin geschrien hatte. Es gab auch keine Anhaltspunkte, was den Verbleib von Miathan und Eliseth betraf.
»Das ist doch lächerlich«, sagte Forral schließlich. »Wir verschwenden hier nur unsere Zeit – und werden dabei obendrein auch noch erfrieren. Der Schrei kann nicht von viel weiter unten gekommen sein, sonst hätten diese Riesenviecher ihn nicht gehört. Ich weiß nicht, was du hier unten erwartet hast, aber …«
»Ich habe denjenigen erwartet, der geschrien hat«, erwiderte Aurian scharf. »Und ich wollte wissen, was ihn dazu gebracht hat.«
»Bist du wirklich sicher, daß die Katzen überhaupt etwas gehört haben?« hakte Forral nach. »Ich bin sicher, daß sie sich geirrt haben – es müßte schon ein ziemlich lauter Schrei gewesen sein, um all diese Mauern zu durchdringen. Wenn du mich fragst, können wir genausogut umkehren«, bestürmte er sie.
Es war offenkundig, daß der Schwertkämpfer diesen Ort nicht mochte. Seit sie hier herunter gekommen waren, hatte er den Griff von Anvars Schwert befingert, das sie in Miathans Gemächern entdeckt hatten. Aurian war jedoch daran gewöhnt, ihren Instinkten zu trauen, und irgend etwas drängte sie hierzubleiben. »Nur noch ein klein wenig weiter«, beharrte sie. »Wenn Shia sagt, sie hätte einen Schrei gehört, dann hat sie einen gehört – und dieser Schrei kann nicht aus dem Nichts gekommen sein. Irgend etwas müssen wir hier finden – frag mich nicht warum, aber ich bin mir da ganz sicher.«
Forral schien von diesen Argumenten nicht besonders beeindruckt zu sein. »Aurian – laß uns umkehren …«
Er griff nach ihrer Hand und versuchte, sie mit sich fortzuziehen, ließ die Hand jedoch schnell wieder sinken, als Shia ein warnendes Knurren ausstieß.
»Es muß ganz nah sein, da bin ich mir sicher. Irgendwie habe ich das Gefühl …« Während Forral ihr mit sichtbarem Widerstreben folgte, öffnete die Magusch die nächste Tür.
Es war das letzte, was sie zu sehen erwartet hätte. Aurian schrie entsetzt auf, und ihr Maguschlicht erlosch, so daß das Zimmer augenblicklich in erlösende Dunkelheit getaucht wurde. Mit einem unterdrückten Fluch riß Forral die Magusch zurück in den Korridor und schlug die Tür hinter sich zu. »Geh da weg, du Idiotin! Beweg dich!« Nach kurzem Suchen fand er im Dunkeln ihr Gewand und zog daran.
Aurian widersetzte sich seinem Griff und lehnte sich schwer atmend an die kalte Steinmauer. Dann stieß sie ein schwaches, ohnmächtiges Lachen aus.
»Verdammt, Aurian, dafür haben wir jetzt keine Zeit!« schrie Forral sie an. »In dem Raum wimmelt es von diesen verfluchten Nihilim!«
»Forral – es ist schon gut.« Endlich hatte Aurian ihre Selbstbeherrschung wiedergefunden. »Die Todesgeister können uns nichts tun. Als mein Maguschlicht ausging, habe ich noch das Schimmern eines Zeitzaubers gesehen. Das müssen die Nihilim sein, die Forral aus der Zeit genommen hat, um mich zu retten.« Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Es tut mir leid, Forral. Es muß ein schrecklicher Schock für dich gewesen sein, sie so zu sehen.«
Forral antwortete nicht sofort, aber schließlich murmelte er: »Verflucht. Ich komme mir ganz schön dumm vor.«
»Da bist du nicht der einzige«, gab Aurian zu. »Sie haben auch mich zuerst getäuscht.« Dann riß sie sich zusammen und entzündete ein neues Licht, das sie über sich schweben ließ. »Als ich die Tür öffnete und die Geister dort sah, dachte ich einen Augenblick lang, mir würde das Herz
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