Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
es wußte, schienen die Rufe von einer Tür zu kommen, die weiter entfernt auf der rechten Seite lag. Dicht gefolgt von Forral, eilte sie auf die geöffnete Tür zu – und sobald sie eine Hand an das Holz gelegt hatte, brach die Stimme abrupt ab.
»Ich kann es nicht mehr hören«, sagte sie leise. »Aber es ist hier drin – ich weiß es. Was immer mich gerufen hat, ist in diesem Raum.«
Als die Tür aufschwang, fiel das lähmende Entsetzen plötzlich von Grince ab. Er fuhr herum – und spürte, wie seine Eingeweide sich zusammenkrampften. Dort in der Tür standen zwei Leute, die nur Magusch sein konnten – groß, einschüchternd und mit silbernen Augen, die bis in die Seele des Diebs einzudringen schienen.
Nach dem ersten Augenblick des Zitterns angesichts der großen, rothaarigen Magusch und ihres grimmigen Gefährten sowie der furchterregenden, mit Klauen und Fangzähnen bewehrten schwarzen Ungeheuer – es handelte sich offensichtlich um magische Dämonen oder etwas in der Art –, blieb Grince nichts anderes übrig, als sich zu Boden zu werfen und um sein Leben zu flehen. Die Akademie war also doch nicht verlassen – und er war unerlaubt hier eingedrungen! Während er so dalag und nicht wagte, auch nur den Kopf zu heben, sondern darauf wartete, daß irgendein schreckliches Schicksal ihn treffen würde, schien eine ganze Ewigkeit zu verstreichen.
»Oh, mach dich nicht lächerlich!« fuhr ihn eine Frauenstimme an. »Steh auf, Mann, und hör mit diesem jämmerlichen Geflenne auf. Na los – wir können nicht die ganze verdammte Nacht hier rumstehen.«
Ihr Gefährte kicherte trocken. »Das ist bestimmt genau die richtige Methode, um ihm klarzumachen, daß er keine Angst zu haben braucht.«
Die Frau beachtete ihn nicht, konzentrierte sich nach wie vor auf Grince. »Na, komm schon, du – antworte mir! Was hast du hier unten zu suchen? Hast du mich gerufen?« Jedes einzelne ihrer Worte schien von einem grauenerregenden Fauchen der Dämonen unterstrichen zu werden.
»Lady – verschone mich!« Grinces Stimme war kaum mehr als ein erschrockenes Quieken. »Ich konnte nicht dagegen an! Ich habe nichts gestohlen, ehrlich! Ich habe nichts angefaßt! Ich habe dich auch nicht gerufen – ich würde mir niemals anmaßen, dich zu stören, hochwohlgeborene Lady. Die Wachen haben mich bis hierher verfolgt, und ich habe mich verirrt, das ist alles. Wenn du mir den Weg hinaus ins Freie zeigst, werde ich nie, nie wieder zurückkommen!«
Die Magusch schnalzte ungeduldig mit der Zunge und stieß einen Laut aus, der halb Fluchen, halb Seufzen zu sein schien. »Ihr Götter steht uns bei!« murmelte sie. »Sieh mal, du törichter Sterblicher. Niemand wird dir etwas tun, klar? Reiß dich endlich zusammen und steh auf. Sobald du meine Fragen beantwortet hast, zeige ich dir, wie du hier rauskommst.«
Der Dieb riskierte einen verstohlenen Blick durch seine Finger – und entspannte sich ein wenig. Man konnte selbst vor einer gefürchteten Magusch kaum Angst haben, wenn sie in der Nähe des Feuers stand und sich auf so gewöhnliche, friedfertige Art und Weise die kalten Hände rieb. Außerdem saßen jetzt die beiden schwarzen Dämonen zu ihren Füßen und blickten wie zwei Hauskatzen versonnen in die Flammen.
Ohne seine beängstigenden Besucher aus den Augen zu lassen – für den Fall, daß einer von ihnen doch irgendwelche Einwände hatte –, erhob sich Grince langsam vom Fußboden. Aber bevor er aufrecht stand, gab das Bein mit der Schwertwunde unter ihm nach. Er schlug der Länge nach hin, fiel auf seine verletzte Schulter und schrie vor Schmerz auf.
Die Magusch war sofort neben ihm. »Bist du verletzt?« Sie ließ ihr Licht direkt über dem Dieb schweben. »Melisanda, erhöre uns – was hast du bloß angestellt?« Sie sah streng auf ihn herunter. »Ich nehme an, du hast dir all diese Verletzungen zugezogen, als du auf der Flucht vor diesen Wachen warst, von denen du gesprochen hast? Vielleicht erzählst du mir besser, warum sie dich überhaupt verfolgt haben.«
Wie gebannt von ihrem offenen Blick, stellte Grince plötzlich fest, daß er sie nicht belügen konnte, wie er es eigentlich beabsichtigt hatte. »Lady, ich … ich …«
»Bei Chathaks eisernen Reithosen! Woher hast du das?«
Bei den Worten des anderen Magusch zuckte Grince schuldbewußt zusammen. Der Mann hatte den Beutel des Diebs gefunden und kippte ihn neben dem Feuer aus. Die Maguschfrau stieß einen leisen Pfiff aus, als sich eine Kaskade funkelnder
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