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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Aber Mischa konnte nur eine unklare, verdrießliche Ausstrahlung wahrnehmen, die von ihrem Onkel ausging. Sie ignorierte sie und nickte der Gefährtin zu, die sich im Hintergrund der Höhle räkelte. »Du kannst jetzt zum Zentrum zurückkehren.«
    Die Frau warf den Kopf zurück, daß die dicken blonden Locken flogen, und ließ die Glanzlichter über ihre glatte, weiße Haut spielen. »Zahlst du?«
    »Nicht mehr.«
    Die Gefährtin zuckte die Achseln, stand auf und kam mit träge gleitenden Bewegungen zu Mischas Onkel.
    »Einen Augenblick!«
    »Geh nur«, sagte Mischa.
    Die Gefährtin küßte den Onkel auf die Lippen und verließ die Höhle.
    »Was fällt dir ein ...«
    »Du kannst mir nichts mehr anhaben.« Mischa trat zu Gemmi, die ihr beide Arme entgegenreckte, noch immer schluchzend. Plötzlich weiteten sich die Augen ihres Onkels, und er schnappte in keuchendem Entsetzen nach Luft.
    Mischa sah sich um. »Es ist nur Krabbe. Dein Neffe.« »Allmächtiger!«
    Krabbe schob sich herein und kam eilig zu Mischa, verlegen in der Gegenwart eines Fremden, aber fasziniert von Gemmi. Er nahm sie bei den Händen, und sie beruhigte sich, starrte ihn aus großen Augen an. Mischa hob die lange Kette auf, mit der Gemmi an der Wand festgemacht war.
    »Wo ist der Schlüssel?«
    »Der Schlüssel ...«, murmelte er, ohne den Blick von Krabbe abzuwenden. »Der Schlüssel?« Er faßte sich, lächelte, brach in Gelächter aus. »Es gibt keinen Schlüssel. Seit wann brauchst du einen Schlüssel? Ich habe Säure in das Schloß gegossen.«
    Mischa beugte sich über das massive Schloß. Die Säure hatte ihren Zweck erfüllt und das Schloß mit verkrustetem Metallsalz angefüllt, vielleicht auch den Mechanismus geschwächt, ihn aber für Dietriche unempfindlich gemacht.
    »Du hältst dich für sehr schlau«, sagte Mischa. Die Gewißheit der Bestrafung hatte sie bisher immer daran gehindert, in diesem Ton zu ihm zu sprechen. Das neue Wissen, daß er sie nicht mehr strafen konnte, bereitete Mischa keine Befriedigung; sie verspürte nur Mitleid.
    »Ich werde sie befreien«, sagte sie.
    Der Onkel lachte geringschätzig. »Was willst du mit ihr anfangen? Du brauchst mich, um für sie zu sorgen.«
    »Ich brauche dich für nichts. Du brauchtest mich und Chris, konntest es aber nicht zugeben und mußtest versuchen, uns beide zu deinen Sklaven zu machen. Darum ist er tot.« Sie blickte auf Gemmi herab, deren Gesicht etwas von Chris' Schönheit hatte, aber so leer war wie er zuletzt. Das Kind war unglücklich, spiegelte den Zorn und Haß wider, die um sie waren. Mischa besänftigte ihre Gedanken und versuchte die Vorstellung selbst gewöhnlicher Dinge schön zu machen. Dann wandte sie sich zu Krabbe. »Geh und hole Val!« sagte sie. Gleichzeitig projizierte sie ihren Wunsch in sein Bewußtsein.
    Krabbe verstand und eilte hinaus.
     
    Jan Hikaru folgte Mischa durch den halbdunklen Stollen. Er war zu müde, um zu rennen. Als Mischa hinter einer Ecke außer Sicht kam, konnte er noch Krabbe sehen, doch bald war auch dieser nicht mehr auszumachen, und er war wieder allein im Stollen, den er blindlings weitertappte, in der inständigen Hoffnung, daß er sich nicht verzweigen möge.
    Er reagierte kaum, als sich eine Hand auf seine Schulter legte; seine Müdigkeit ließ keine Überraschung mehr zu. Er blieb einfach stehen und wandte matt den Kopf, um mit Erleichterung zu sehen, daß Simon und Val ihm nachgegangen waren. Gemeinsam gingen sie weiter. Er verstand, welche Überwindung es die Bewohner des Untergrundes kostete, sich im Bannkreis der Stadt aufzuhalten, selbst in diesem dünnbesiedelten Außenbezirk. Wenn sich eine Menschenmenge gegen sie zusammenrottete, war die Gefahr groß, daß sie zwischen ihr auf der einen und Subeins' Gruppe auf der anderen Seite in eine Falle gerieten; und Subzwei war nur durch sein Wort an ihre Vereinbarung gebunden. Hikaru sah ein, daß es besser gewesen wäre, wenn sie alle beisammen geblieben wären, aber er wollte Mischa nicht ganz allein in eine womöglich gewaltsame Auseinandersetzung gehen lassen.
    Der Widerschein seiner Lampe an den unregelmäßig behauenen Stollenwänden narrte seine müden Augen mit tanzenden Schatten und Glanzlichtern, und er hatte das seltsame Gefühl, zu beobachten, ohne zu begreifen. Um es zu überwinden, starrte er auf den Steinboden und verfolgte die Bewegungen seiner Füße.
    Wieder legte Simon ihm die Hand auf die Schulter; Jan blieb gehorsam stehen und sah sich nach Simon um, bis dieser

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