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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Zentrum hell sein.
    Der Durchgang an der Rückseite des Ladens war nur mit einem Vorhang verschlossen. Mischa tastete sich leise umher, durchsuchte das Ladeninnere nach den versteckten Drähten eines Fernalarms, ohne welche zu finden.
    Die Schaukästen und Glasvitrinen waren zugesperrt und uninteressant. Alle ausgestellten Steine waren Halbedelsteine oder künstliche und gefaßt. Ungefaßte Steine waren leichter abzusetzen, weil schwieriger zu identifizieren.
    Unter den gläsernen Schaukästen befanden sich flache Schubladen in Reihen von vier übereinander, schmale Leisten trennten sie voneinander. Die Schubladen waren zugesperrt, aber nicht besser als die Ladentür. Sie enthielten Anhänger und Ringe, Armreifen und Halsketten, die allesamt von ähnlicher Qualität waren wie der übrige ausgestellte Schmuck. Ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, brach Mischa die aktive Suche ab, setzte sich an die Wand und sah sich einfach um, wie sie es zu tun pflegte, wenn sie draußen am Rand der Spirale saß und über die Stadt hinblickte. Ihre Augen setzten die Suche fort, aber nicht sie leisteten die eigentliche Arbeit, sondern ihr Verstand.
    Sie kniete vor den flachen Schubladen nieder, befühlte die unteren Ränder und klopfte behutsam die Holzflächen zwischen ihnen ab, lauschte nach einem hohlen Klang und drückte und zog mit den Fingerspitzen. Eine Leiste gab nach, klappte glatt und geräuschlos auf. Ein leises, metallisches Klicken verriet, daß der Sperrmechanismus am Scharnier eingerastet war; das Geheimfach blieb offen.
    Eine flexible Rolle aus dünnem Isolierkabel, in prekärer Balance auf einer schmalen Innenleiste, löste sich und fiel heraus. Mischa fing sie auf, bevor die Anhängsel auf den Boden klappern konnten. Sie kauerte auf den Fersen und zog die Kabel-enden aus der Rolle. Draußen flackerte wieder das Licht und warf einen flüchtigen Schein über die Vorhänge des Ladenfensters. Die Spitzen der metallischen Elektroden schimmerten im Lichtschein, bevor er verging und der Laden wieder in schwarzbraune Dunkelheit zurücksank.
    Mischa setzte die kalten Elektroden an die Schläfen. Sie saugten sich dort fest und stießen Fibern in ihre Haut; die Fibern zogen ihren Geist heraus und sandten ihn durch die dünnen Metalldrähte. Sie fühlte die Resonanzen des schlafenden Mannes im Wohnraum hinter dem Laden. Seine aufgezeichneten Wesensmerkmale bildeten eine Barriere; das Schloß sollte sich nur ihm öffnen.
    Mischa gefiel es nicht, so unmittelbar in jemandes Nähe gedrängt zu sein; mit der Schloßaufzeichnung auf einer Seite und dem Kaufmann auf der anderen, konnte sie ihn besser wahrnehmen und verstehen, als ihr das jemals bei einer anderen Person gelungen war, ausgenommen Chris oder Gemmi. Die gewöhnlich nur schwache Ausstrahlung nahm Gestalt an, klärte und festigte sich. Geplagt von der Versuchung, die Kontakte abzureißen und sich aus dem Laden zu stehlen, berührte Mischa die Wand eines simulierten Bewußtseins und tastete sich nach dem wahren Wesen vor. Sie wurde ein Kanal für Gedanken; sie konnte sich nicht abschirmen. Sie überspülten sie, ungefiltert und verstärkt, aber Mischa nahm sie auf und paßte ihnen die eigenen Denkmuster an, um so gewappnet gegen die Barriere anzudrängen. Sie widerstand ihr, gab nach, öffnete sich jedoch nicht. Sie verbesserte ihre Anpassung, versuchte es wieder und erprobte mehrere unabhängige Variable. Es fiel ihr nicht leicht, inmitten einer wahren Überschwemmung von halbbeherrschten Ängsten und Wünschen Übersicht und Bewußtsein zu wahren.
    Endlich geriet die Barriere in Bewegung und löste sich auf; das Schloß des Geheimfachs öffnete sich. Mischa zog die klebrigen Kontakte ab und schleuderte sie von sich. Sie war triefend naß von Schweiß, aber ruhig.
    Das Geheimfach war tief in den Sockel des Schaukastens eingelassen. Mischa langte hinein und hob einen der faustgroßen Lederbeutel heraus, die es füllten.
    Die geschliffenen Steine, aus dem Beutel in die Handfläche geschüttet, glänzten wie mit eigenem Leben, als wollten sie jeden Augenblick in Licht und Wärme ausbrechen. Sie zogen das wenige in den Raum dringende Licht in magischer Weise auf sich und brachen es in allen Farben.
    Mischa steckte den ersten Beutel unter ihre Jacke. Die anderen waren mit gefaßten Steinen angefüllt, aber solchen, die zu stehlen sich lohnte. Sie nahm so viele an sich, wie sie bequem und unauffällig in den inneren Taschen tragen konnte. Am Boden des Geheimfachs lag ein

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