Die Asche der Erde
Früher oder später würde ein Kunde hereinkommen oder der Juwelier würde sich selbst befreien.
Mischa war in Schweiß gebadet, aber die Schwäche war von ihr gewichen, und zum erstenmal seit allzu langer Zeit fühlte sie sich gut. Fröhlich ging sie nach Hause. Die Erschöpfung, die noch in ihr war, gehörte einer zufriedenstellenden Art an, war sie doch das Ergebnis langer Wachsamkeit und einer guten Arbeit und dem Wissen, nicht bloß Hoffen, daß nichts, was ihr Onkel oder der Steinpalast oder die reichen Familien ihr antaten, sie zerstören konnte.
6
Beim ersten Betreten seiner neueingerichteten Räume verspürte Subzwei ein Gefühl von allgemeinem Wohlbefinden. Die Umgebung verringerte die Spannung, unter der er seit seiner Ankunft auf der Erde gestanden hatte. In diesen Räumen gab es keine Wandteppiche und Samtvorhänge, keine bestickten Decken, keine unregelmäßigen Flächen. Die Linien waren gerade, und wo sie zusammentrafen, herrschten rechte Winkel vor. Die Proportionen waren geometrisch und ästhetisch vollkommen.
Wände, Boden und Decke waren jetzt mit weißem Plastikmaterial verkleidet. Auf Subzweis Arbeitstisch stand eine dreidimensionale Wiedergabe einer komplizierten mathematischen Funktion (die einzige Dekoration, die er wollte oder brauchte), und ein mit dem Bordcomputer verbundener Datenanschluß war installiert. Er hatte Zugang zu allem und jedem, was er brauchte.
Während der Umbauten hatte er mit Blaisses Haushofmeisterin zusammengearbeitet; sie hatte sich aller ihr übertragenen Aufgaben mit Umsicht und Sorgfalt entledigt. Subzwei bewunderte ihre Tüchtigkeit und schätzte die Geschwindigkeit und Problemlosigkeit, mit der sie die Umgestaltung nach seinen Wünschen geleitet hatte. Doch trotz der Wiederherstellung eines äußerlichen Behagens war er innerlich noch nicht zur Ruhe gekommen. Es kostete ihn viel Überlegung und Analyse, um zu begreifen, daß diese Unruhe von dem Umstand herrührte, daß ihn keine gemeinsame Arbeit mehr mit der Haushofmeisterin verband.
Er wünschte, das eine oder das andere Mitglied seiner Besatzung würde ihn bitten, die Wohnräume ändern zu lassen, so daß er die Notwendigkeit ihrer Gegenwart rechtfertigen könnte. Es fiel ihm schwer zu verstehen, daß die Leute Plüsch und Samt vorzogen.
Einige wenige Fehler mußte es in diesen Räumen noch geben. Früher oder später würden sie ihm ins Auge fallen und ihn verdrießen, aber er fragte sich, ob Galathea sein Beharren auf Vollkommenheit als Kritik aufnehmen würde. Bisher hatte er sich noch nie zurückgehalten, wenn es ihm notwendig erschienen war, Kritik vorzubringen, und er hatte immer auf Perfektion bestanden. Dennoch, solche Dinge waren erträglich; ein paar kleine Unvollkommenheiten waren oft unvermeidlich, und er konnte sich von ihnen nicht in dem Maße aus der Fassung bringen lassen, wie es bei den rohbehauenen Höhlenwänden und dem in seinen Augen nutzlosen Zierat der Fall gewesen war. Für kostbare Steine und Metalle sah er adäquate Verwendung in der Elektronik, in Steuerungssystemen und feinmechanischen Konstruktionen; ihr Mißbrauch als Schmuckgegenstände konnte ihn immer wieder in Zorn versetzen, den er oft nur mühsam zu verbergen vermochte. In diesem rückständigen Ort schien es keine Möglichkeit zu geben, diese Dinge einer sinnvollen Funktion zuzuführen.
Er war erst seit kurzer Zeit auf der Erde, und schon langweilte sie ihn. Mit der Langeweile kam Einsamkeit, die er nie zuvor erfahren hatte. Er hatte niemals andere gebraucht, nicht einmal Subeins. Obwohl die Pseudozygoten Zwillingen glichen und gegenüber Außenseitern vereint schienen, waren sie nie sonderlich gut miteinander ausgekommen. Man konnte eher sagen, daß sie einander duldeten; und jeder kannte den anderen so gut, daß sie in jeder Aktion auswechselbar waren. Dies hatte nichts mit Zuneigung, Liebe oder Einfühlung zu tun; es war ein rein physiologisches Überbleibsel von ihrer Erziehung als isolierte Verhaltensduplikate: Jeder war genauso von den Reaktionen des anderen wie von seinen eigenen beeinflußt.
Seit ihrer Ankunft auf dieser Welt schien sich der Abstand zwischen ihnen zu vergrößern. Subzweis Partner verbrachte mehr Zeit bei der Besatzung als mit Arbeit; er vergeudete sie mit Zerstreuung und Ausschweifung. Subzwei war nur einmal durch das Vergnügungsviertel des Zentrums gegangen: Der Lärm und die Unordnung waren mehr, als er ertragen konnte.
»Herein«, sagte er in Beantwortung eines Kratzens an der
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