Die Asche der Erde
lachten unbehaglich, im Zweifel, ob Subeins ein Kompliment oder eine Beleidigung ausgesprochen hatte.
»Sie müssen es mich einmal tragen lassen«, sagte Clarissa. »Ich würde mir darin wie ein Urmensch vorkommen.«
»Sie können es jetzt tragen, wenn Sie wollen«, sagte Subeins und griff nach den Lederschnüren, die sein Fellgewand zusammenhielten. Subzwei streckte schockiert die Hand aus, um ihn an seinem Vorhaben zu hindern, fing aber einen scharfen, warnenden Seitenblick auf, der ihn zurückhielt. Clarissa sah zu, bis Subeins das Fellgewand geöffnet hatte. »Ach nein«, sagte sie dann. »Es hat mich zuviel Zeit gekostet, in meine eigene Kleidung hineinzukommen, und die würde Ihnen vielleicht nicht so gut stehen.«
»Nun, dann eben ein andermal.«
Clarissa machte sie mit den Gästen im näheren Umkreis bekannt, die wie alle Mitglieder der Tafelrunde auf dicken Polstern um den langen Tisch gelagert waren. Subzwei machte geeignete Begrüßungsgeräusche und merkte sich Namen und Gesichter für den Fall, daß er die Information später einmal benötigen sollte. Sie waren alle in dieser oder jener Weise mit Clarissa oder ihrem Mann verwandt, und jeder Gast hatte mindestens einen persönlichen Diener bei sich. Diese Diener, wahrscheinlich Sklaven, wurden ihnen nicht vorgestellt, obwohl Subzwei sie bei seiner ersten Bestandsaufnahme mitgezählt hatte.
Er richtete seine ganze Aufmerksamkeit erst in dem Augenblick auf das gesellschaftliche Zeremoniell, als Clarissa die Ankunft von Blaisses Bruder Kenton verkündete, der zu ihrer Familie geschickt worden war, um die Allianz zwischen beiden Familien zu besiegeln. Einige Jahre jünger als Blaisse, erwies er sich als ein mißmutig dreinblickender Mann, der eine unverständliche Antwort murmelte, um sich sogleich wieder den Darreichungen seines halbwüchsigen Dieners zuzuwenden. Subzwei blickte schaudernd zur Seite; der Hormonhaushalt des Sklaven war in Unordnung, und offenbar absichtlich. Das Ergebnis war für seine Augen kein erfreulicher Anblick. Kenton selbst stieß ihn ab und interessierte ihn zugleich, denn er hatte erfahren, daß Blaisses Feststellungen über die Familien der Wahrheit entsprachen. Hätten er und Subeins versucht, ihren ursprünglichen Plan auszuführen, wäre einer von ihnen jetzt an Kentons Stelle, gefangen wie eine vornehme Geisel, allen möglichen Ausschweifungen ergeben und aus Langeweile mit der Manipulation anderer Menschen und ihres Lebens beschäftigt.
Clarissa beendete die Vorstellungen und ergriff Subeins bei der Hand. »Setzen Sie sich zu mir.« Er machte es sich an ihrer Seite bequem, den bloßen Schenkel an ihrem Bein. Clarissa blickte auf und sagte zu Subzwei, als wäre es ihr gerade erst eingefallen: »Mein Gemahl wünscht, daß Sie den Platz zu seiner Linken einnehmen.«
Subzwei ging zum anderen Ende der Tafel, angestarrt von den Gästen, deren unverhohlene Neugierde ihn an einen anderen unbehaglichen Auftritt erinnerte, als er zum erstenmal als ein erfolgreiches Experiment der Außenwelt vorgestellt worden war. Die erste Erfahrung der Außenwelt mit ihm war seine erste Erfahrung mit der Außenwelt gewesen, und er hatte nur den Wunsch verspürt, schleunigst in die Sicherheit und Beständigkeit der Umgebung zurückzufliehen, in der er aufgewachsen war.
Er überblickte die Tafelrunde. Diese Leute bedeuteten ihm nichts. Er würde sich nicht einmal ihrer Namen entsinnen. Wenn er sich weigerte, sich ihre Persönlichkeiten einzuprägen, würden ihre dummen Gesichter vielleicht in seinem Gedächtnis ineinander verschwimmen. Abgesehen von ihrem albernen Aufputz sahen sie gewöhnlich genug aus. Ihre allgemeine äußerliche Ähnlichkeit verriet ein solches Maß an Inzucht, daß er entsetzt und gleichzeitig erleichtert war, weil er Subeins an der vollständigen Übernahme des Palastes gehindert hatte. Subzwei wußte, daß er niemals eine dauernde geschlechtliche Verbindung mit einer dieser vornehmen, degenerierten, strahlungsgeschädigten Personen eingehen könnte. Er stellte sich vor, wie ihre Chromosomen in einem verrückten, trunkenen Tanz, dessen Rhythmus von freien, subatomaren Partikeln bestimmt wurde, sprangen und hüpften, zerbrachen und sich wieder zusammenfügten. Die möglichen Resultate einer Partnerschaft waren zu widerwärtig, um darüber nachzudenken, obgleich Subzwei nicht daran zweifelte, daß ihr Genreservoir von der Beimischung neuer Erbanlagen profitieren würde.
Schaudernd, aber ohne jemanden berührt zu haben, sei
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