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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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unserem Verhalten die behavioristischen Äquivalente genetischer Zwillinge verkörperten.« Subzwei walzte, daß andere ihn nicht von Subeins unterscheiden konnten, empfand es aber noch immer als seltsam. Er sah nur allgemeine Ähnlich keilen zwischen sich und Subeins. Freilich war er seit den
    seiner Ausbildung gewohnt, auf winzigste Einzelheiten und Nuancen zu achten, während gewöhnliche Leute sich mit Allgemeinheiten mehr schlecht als recht durchs Leben halfen. Er blickte über die Tafel hin zu Subeins. »Offensichtlich gelten nicht die gleichen Parallelen.«
    »Ich verstehe«, sagte Blaisse und gähnte. »Das ist sehr interessant.« Aber er stellte keine weiteren Fragen; griff statt dessen nach seinem Trinkglas, dessen Inhalt er in wirbelnde Bewegung versetzte, bevor er es an die Lippen setzte. Viele Gäste waren über dem letzten Gang eingeschlafen und schnarchten in den Polstern, die Kleider geöffnet, während die übrigen sich mit ihren Bediensteten vergnügten. Subzwei war deprimiert von den Geräuschen der Übersättigung und dem Anblick des pumpenden, kopulierenden Fleisches; er wäre gern gegangen, kannte aber das Protokoll nicht. Er wünschte, er könnte seine Erziehung und Ausbildung mit einem Mal vergessen und rüde und gedankenlos werden, aufstehen, Schmähungen brüllen, die Tafel umwerfen und hinausstolzieren. Statt dessen harrte er eine weitere Stunde an seinem Platz aus, steif und mißbilligend, während ringsumher Zügellosigkeit regierte. Man konnte es kaum eine Orgie nennen; es war eher eine kollektive Masturbation. Die geladenen Gäste dachten nicht daran, einander zu liebkosen oder auch nur zu berühren. Sie lagen zurückgelehnt und ließen sich von ihren Sklaven bearbeiten, bis unwillkürliche Reaktionen sie in Bewegung setzten. Es schien, als hielten sie den persönlichen Genuß eines jeden Augenblicks für derart wichtig, daß sie nichts davon aufgeben wollten, um andere daran teilhaben zu lassen, sei es durch emotionale Zuwendung oder auch nur durch Kommunikation. Sie schienen zu denken, daß die Belohnung solchen Tuns den Aufwand nicht lohne. Sie warfen weg, was Subzwei suchte, und dafür verabscheute er sie.
    Unter all den juwelenbehängten und parfümierten Gästen, die den Saal füllten, war nur Subzwei allein, und nur Clarissa und Subeins waren zusammen. Subzwei wandte seinen Blick von der bloßen weißen Haut der Herzogin und dem dunkleren nackten Körper seines Pseudozygoten. Es ließ sich nicht leugnen, daß Subeins seit der Entlassung aus ihren einsamen, geschlechtslosen Anfängen eine Menge dazugelernt hatte, ebensowenig wie zu übersehen war, daß die beiden sich nicht wirklich von all den anderen Teilnehmern am Gelage unterschieden.
    Subzwei wartete, bis die meisten erschöpft eingeschlummert waren. Selbst die Sklaven überließen sich trägem Dahindämmern, aus dem sie gelegentlich aufschreckten, um verstohlen herüberzuspähen, als wollten sie sich vergewissern, daß er noch da war. Er erhob sich.
    »Wünscht Ihr etwas, Herr?«
    Er sah sich erschrocken um. Blaisses Sklavin hatte sich halb aufgerichtet und blickte hinter dem erschlafften Körper ihres Herrn hervor zu ihm auf. Bis auf die mit Saphiren besetzten silbernen Armreifen und die blitzenden Edelsteine an ihren Augenlidern war sie jetzt nackt. Subzwei wurde sich plötzlich bewußt, daß sie noch sehr jung sein mußte.
    »Wie alt bist du?« fragte er sie freundlich. Ihr Name fiel ihm wieder ein: Saita. Er fand es beinahe überraschend, daß sie nicht wie ein Haustier mit der Verkleinerungsform irgendeines Namens gerufen wurde, denn Blaisse behandelte sie nicht als ein intelligentes Wesen, sondern gebrauchte sie wie ein Schoßtier.
    »Ich weiß es nicht, Herr.«
    »Wie lang bist du schon hier?«
    »Drei Jahre, hat man mir gesagt, Herr.«
    Er sah, daß man sie nie etwas anderes gelehrt hatte, als die Erweckung und Befriedigung erotischer Bedürfnisse. Vergeudetes Potential ärgerte ihn, und in ihrem Gesicht war Intelligenz. Sie war nicht dumm, nur naiv und unwissend, ahnungslos und wie unberührt von der Bedeutung ihres eigenen Status und seines Verhältnisses zur Umgebung.
    »Wünschen Sie etwas, Herr?«
    »Nein«, sagte er, »ich wünsche nichts von dem, was du mir geben kannst.«
    Auf dem Weg zum Ausgang passierte er die hingestreckten Leiber der schnarchenden Tafelgäste. Am Ende der Tafel räkelte sich Subeins in den Kissen. Die Herzogin hatte den Kopf auf seinen Bauch gebettet und lag erschöpft mit geschlossenen

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