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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Verbindung auch mit einem meiner anderen Brüder, und mit einer meiner Schwestern war sie noch besser. Die meisten anderen Leute empfange ich nicht so gut; sie sind viel trüber und undeutlicher, und ich kann nur Gefühlsregungen wahrnehmen, aber sie sind da.«
    »Wurdest du deshalb vertrieben? Weil diese Fähigkeit entdeckt wurde?«
    »Nein, nicht deswegen.« Mischa berichtete, was im Zentrum vorgefallen war und an was sie sich von ihrer Flucht erinnerte.
    »Ich verstehe«, sagte Val. Sie schien beunruhigt, aber nicht mehr verärgert. »Du bist eine von uns, und bist es auch wieder nicht.«
    »Mag sein.«
    »Und es sind welche hinter euch her?«
    »Ich weiß, daß sie uns verfolgten, aber sie haben aufgegeben. Wahrscheinlich trauten sie sich nicht in die enge Röhre hinein.«
    »Was ist mit ihm?« fragte Val mit einem Kopfnicken zu Hikaru.
    »Er kann auch nicht zurück. Zumindest vorläufig nicht.« »Er ist normal. Er gehört nicht zu uns.«
    »Nein«, gab Mischa unwillig zu. Und sie versuchte zu begreifen, warum sie sich wieder fürchtete, was diese Frau an sich hatte, das bei einem bestimmten Tonfall sofort ein Gefühl von Feindseligkeit in Mischa weckte, und warum Vals Züge in einem bestimmten Einfallswinkel des Lichtes vertraut, grausam und kalt wirkten. Aber Mischas Erinnerung gab nichts her. Val wandte sich zur Seite, und die Illusion verschwand.
    »Er ist ein guter Mensch«, sagte Mischa. »Er ist nur hier, weil er mir geholfen hat. Ihr könnt ihm vertrauen.«
    »Das sagst du.«
    »Ja, das sage ich.« Sie legte die Arme um die angezogenen Knie und fuhr rasch fort: »Ich kann mich für ihn verbürgen, weil ich ihm vertraue. Und Krabbe vertraut ihm auch.«
    Val schien besänftigt. Sie lachte sogar über Mischas finster-trotzigen Blick. »Dann ist dein Freund einstweilen sicher.«
    Diesmal brach Simon nicht das unbehagliche Schweigen, während Mischa ergebnislos überlegte, wie sie die Frau von Jans Ehrenhaftigkeit überzeugen könne.
    »Sag mir, wie du mit Krabbe redest«, sagte Val.
    Mischa wollte das Thema nicht wechseln, auch nicht zur Vermeidung von Streit, sah aber ein, daß es nutzlos wäre. Dann erinnerte sie sich, daß auch sie Jan lange Zeit nicht getraut hatte, und zwar nicht seinetwegen, sondern ihretwegen. Wenn sein Zustand sich besserte, würde er Vals Furcht und Mißtrauen bald zerstreuen. Falls er sich erholte .. .
    »Es ist kein Sprechen«, sagte sie in Beantwortung der Frage. »Er kann nicht reden, nicht einmal in Gedanken. Sein Gehirn ist falsch gewachsen. Es bringt Begriffe und Dinge durcheinander. Er ist nicht dumm, er kann bloß keine Gedanken und Worte aneinanderreihen.«
    Krabbe drückte Mischas Hand mit sanfter Beharrlichkeit. Sie blickte in seine vorquellenden grünen Augen. Er stellte eine Frage in verschlungenen blauen Gedankenprojektionen und unmelodischen Tönen. »Er möchte euch sagen«, dolmetschte Mischa, »daß er dich für seine Mutter zu halten pflegte. Er weiß inzwischen, daß es nicht so ist, denkt aber manchmal noch immer in diesen Begriffen. Er hofft, es macht dir nichts aus.«
    »Ich bin seine Mutter«, sagte Val. »Oder könnte es genausogut sein.«
    »Das freut ihn.«
    »Mich auch.«
    »Er versuchte zu euch zu sprechen«, sagte Mischa, »aber die
    Worte kommen falsch heraus, und je mehr Mühe er sich gibt, desto hoffnungsloser gerät ihm alles durcheinander.«
    Val streichelte Krabbes dicke graue Haut. »Armer Kerl. Er muß sich einsam fühlen.«
    Dies war das erste Mal, daß Mischa sah, was an Val anders war: Ihr Handrücken war mit einem weichen roten Pelz bedeckt, der ihren Arm hinaufreichte, so weit Mischa sehen konnte. Der Lichtschein schimmerte auf dem glänzenden Fell, als Val das arme Geschöpf tätschelte, und Mischa konnte Vals eigene Isolation fühlen, ihre klaren Erinnerungen an hellere, freundlichere Orte und sogar an die Außenwelt. Val hatte nicht ihr ganzes Leben im Untergrund zugebracht. »Er hat es hier besser, als er es in der Stadt hätte«, sagte Mischa. »Und soweit es ihn betrifft, so ist er hier glücklich.«
     
    Als sie nach langem, aber unruhigem Schlaf erwachte, hatte Mischa jedes Gefühl für die Zeit verloren und wußte nicht, seit wie vielen Tagen sie im Untergrund waren, welche Strecke sie auf der Flucht zurückgelegt hatten und wie lange ihr Körper benötigt hatte, um sich von dem Gift der kristallinen Gesteinsbildungen zu reinigen. Sie waren tiefer in den Untergrund vorgedrungen, als sie je bei früheren Gelegenheiten gekommen war,

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