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Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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konnten keine weiteren Splitter finden. Mischa setzte sich in den Sand, den Kopf zwischen den Knien, von dem Gift, das zu schlucken sie nicht hatte vermeiden können, mit Übelkeit und Brechreiz geplagt. Sie mochte nicht an die Dosis denken, mit der Jan zu kämpfen hatte.
    Nachdem sie für den Verletzten getan hatten, was in ihrer Macht stand, wendeten die Untergrundleute ihre Aufmerksamkeit wieder Mischa zu. Im bläulichen Lichtschein sahen sie wie leichenfressende Dämonen aus, schwarz vom Blut. Mischa wischte sich erbrochenen Schleim vom Mund und sah auch ihren Ärmel blutbeschmiert. Sie schloß schaudernd die Augen. Das mißgestaltete kleine Geschöpf, das sie gefunden hatte, berührte ihre Hand. Sie ergriff seine Klaue und war getröstet.
    »Komm«, sagte die rothaarige Frau. »Wir werden ihn zu einem besseren Ort bringen.«
    Der Mann hob Jan behutsam auf und schickte sich an, die Höhle zu verlassen. Mischa erhob sich, strauchelte und fiel.
    »Warte, Simon.« Die Frau half ihr auf und stützte sie. Simon wartete.
    »Danke«, sagte Mischa matt. »Wer seid ihr?«
    »Ich bin Val.«
    Mischa fühlte sich schwindlig und schlecht. Val und Simon schienen unempfindlicher gegen das Gift. Sie hätte gern mehr Fragen gestellt, mußte sich aber auf Val stützen und sah bald, daß sie ihre ganze Energie aufbieten mußte, um sich auf den Beinen zu halten.
    Eine trockene, trübe erhellte Höhlenkammer enthielt Vals, Simons und Krabbes spärliche Habseligkeiten. Es waren so wenige, daß man sie alle auf einmal davontragen konnte. Sie hatten eine Decke, in die sie Jan hüllten. Mischa ließ sich auf den Höhlenboden sinken, dankbar für die Ruhepause, aber in Angst wegen Jans Blässe und der Stille seines Geistes.
    »Meint ihr, daß er sich erholen wird?«
    Val warf ihr einen schnellen Blick zu, sah dann zu Boden und schließlich zu Simon; sie wollte nicht antworten.
    »Es ist noch immer möglich, daß er stirbt«, sagte Simon.
    Bisher hatte er nicht gesprochen. Die Erleichterung und Dankbarkeit in Vals Ausdruck fanden ihre Erklärung im Brechen seines Schweigens, lieferten aber keinen Hinweis auf den Grund seiner Schweigsamkeit. Seine Stimme war leise und angenehm; seine Zähne waren scharf. Auch seine Fingernägel waren scharf, von Natur aus oder durch künstliche Mittel, aber sie waren auch sehr dick, wie Krallen, und er konnte sie wie ein Raubtier ausstrecken. Seine Hände schienen Mischa ein unzulänglicher Grund für die Verbannung zu sein.
    »Wir werden tun, was wir können«, sagte Val.
    »Er hat dies nicht verdient«, sagte Mischa. »Er ist meinetwegen hier unten.« Bis er ihr begegnet war, hatte Jan in Ruhe und Sicherheit gelebt. Sie hatte ihn ins Unglück gestürzt, hatte ihn von den Seinigen isoliert, ihm genommen, was er über ein Fortleben nach dem Tode geglaubt haben mochte, und schließlich durch ihre Apathie zugelassen, daß er sich auf der Flucht durch das ihm unbekannte Höhlenlabyrinth lebensgefährlich verletzt hatte. Sie hatte viel gutzumachen.
    Krabbe wühlte neben Mischa im Sand, begrub sich darin, winkte zufrieden mit einer Klaue und ergriff ihre Hand mit der anderen, zog sie mit seiner Begrüßung aus Schuldgefühlen und Depression.
    »Komm her, Krabbe!« sagte Val. »Laß sie in Ruhe.«
    »Er stört mich nicht«, erwiderte Mischa. »Ich war oft im Untergrund und habe nach Leuten Ausschau gehalten, aber nie welche gesehen.«
    »Wir bleiben sehr tief. Wir halten Wache. Nur wegen der Kinder kommen wir hinauf.«
    »Ich wußte, daß ihr hier wart. Ich konnte fühlen, daß ihr Angst hattet.«
    Val blickte stirnrunzelnd zur Seite, und Mischa sah, daß sie über die Erwähnung ihrer Angst verärgert war, obwohl Mischa sie nicht als Kritik gemeint hatte. »Du kannst von Glück sagen, daß Krabbe dich gefunden hat«, sagte Val kühl, um das Thema zu wechseln. »Er hat noch nie jemanden gefunden.«
    »Es war nicht Glück.«
    »Wie meinst du das?«
    »Er kann mich hören. Oder fühlen. Meine Gedanken, meine ich.«
    Simon hatte sich in die Schatten der Höhlenwand zurückgezogen, doch konnte Mischa seinen skeptischen Ausdruck sehen. Val beugte sich ungläubig vor. »Aber wie?«
    »Er muß ein paar Jahre jünger sein als ich. Er wurde bald nach der Geburt ausgesetzt, und natürlich erinnert er sich nicht allzu-gut an seine frühe Kindheit, aber wenn mich nicht alles täuscht, muß er mein Bruder sein.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Mischa zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, wie wir es machen. Ich hatte telepathische

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