Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Kohlenhandlung kümmert sich nicht richtig um den Stall,
und der Gestank zieht bis in unser Haus. Der Gestank vom Klo und vom Stall zieht Ratten an, und wir müssen sie mit unserem neuen Hund, Lucky, wegjagen. Am liebsten treibt er die Ratten in die Enge, und dann zerschmettern wir sie mit Steinen oder Stöcken oder spießen sie mit der Heugabel im Stall auf. Das Pferd selbst hat Angst vor den Ratten, und wir müssen vorsichtig sein, wenn es hinten ausschlägt. Es weiß, daß wir keine Ratten sind, weil wir ihm Äpfel mitbringen, wenn wir welche auf dem Land geklaut haben.
Manchmal entkommen die Ratten und rennen in unser Haus und in das Kohlenluch unter der Treppe, wo es pechschwarz ist und man sie nicht sehen kann. Selbst wenn wir eine Kerze holen, können wir sie nicht finden, weil sie überall Löcher graben und wir nicht wissen, wo wir suchen sollen. Wenn wir Feuer haben, können wir Wasser kochen und es langsam aus dem Teekessel da hineingießen, und das treibt sie aus dem Loch heraus und zwischen unseren Beinen hindurch und wieder vor die Tür, falls Lucky nicht schon da ist, um sie mit den Zähnen zu fangen und totzuschütteln. Eigentlich sollte man meinen, daß er die Ratten frißt, aber er läßt sie auf der Gasse liegen, und die Gedärme hängen ihnen heraus, und er rennt zu meinem Vater und holt sich ein Stück Brot, in Tee getunkt. Die Leute in der Gasse sagen, das ist ein eigentümliches Betragen für einen
Hund, aber was will man von einem Hund, der den McCourts gehört, schon groß erwarten.
Sobald eine Spur von einer Ratte zu sehen ist oder auch nur erwähnt wird, ist Mam auch schon aus dem Haus und die Gasse hochgerannt. Lieber würde sie in Ewigkeit durch die Straßen von Limerick wandern, als eine Minute in einem Haus mit einer Ratte drin verbringen, und nie findet sie Ruhe, weil sie weiß, daß mit dem Stall und dem Klo immer eine Ratte in der Nähe ist, die samt Familie aufs Essen wartet. Wir bekämpfen die Ratten, und wir bekämpfen den Gestank von diesem Klo. Bei warmem Wetter würden wir gern die Tür offenlassen, aber das kann man nicht, wenn Leute die Gasse heruntergetrabt kommen, um ihre randvollen Eimer auszukippen. Manche Familien sind schlimmer als andere, und Dad haßt sie alle, obwohl Mam ihm sagt, es ist doch nicht deren Schuld, wenn die Bauherren vor hundert Jahren Häuser ohne Klo hingestellt haben, bis auf das eine vor unserer Tür. Dad sagt, die Leute sollen ihre Eimer mitten in der Nacht auskippen, wenn wir schlafen, damit wir von dem Gestank nicht gestört werden.
Die Fliegen sind fast so schlimm wie die Ratten. An warmen Tagen fliegen sie in Schwärmen zum Stall, und wenn ein Eimer ausgekippt wird, schwärmen sie in die Küche, und Dad sagt, es ist ekelhaft, wenn man bedenkt, daß die Fliege, die
da auf der Zuckerdose sitzt, eben noch auf der Kloschüssel, oder was von ihr übrig ist, gesessen hat. Wenn man eine offene Wunde hat, finden sie sie und quälen einen. Tagsüber hat man die Fliegen, nachts hat man die Flöhe. Mam sagt, ein Gutes haben die Flöhe, sie sind sauber, aber Fliegen sind schmutzig, man weiß nie, wo sie herkommen, und sie schleppen jede Menge Krankheiten mit sich rum.
Wir können die Ratten jagen und umbringen. Wir können die Fliegen und die Flöhe totklatschen, aber gegen die Nachbarn mit ihren Eimern kann man nichts machen. Wenn wir draußen auf der Gasse spielen und jemanden mit einem Eimer sehen, rufen wir zu unserem Haus hinüber, Eimer kommt, Tür zu, Tür zu, und wer drin ist, rennt an die Tür und macht sie zu. Bei warmem Wetter rennen wir den ganzen Tag an die Tür, weil wir wissen, welche Familien die schlimmsten Eimer haben. Es gibt Familien, da hat der Vater Arbeit, und falls die sich angewöhnen, mit Curry zu kochen, dann wissen wir, daß der betreffende Eimer zum Himmel stinken und uns schlecht werden wird. Wo jetzt Krieg ist und die Männer Geld aus England schicken, kochen immer mehr Familien mit Curry, und unser Haus ist Tag und Nacht mit dem Gestank erfüllt. Wir kennen die Familien mit dem Curry, wir kennen die Familien mit dem Kohl. Mam ist ständig übel, Dad unternimmt
immer längere Spaziergänge über Land, und wir spielen so oft wie möglich draußen und so weit wie möglich vom Klo entfernt. Dad beschwert sich nicht mehr über den Shannon. Jetzt weiß er, daß das Klo schlimmer ist, und er nimmt mich mit aufs Rathaus, um sich zu beschweren. Der Mann da sagt, Mister, alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, Sie können umziehen.
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