Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Hause komme, ist meine Familie oben in Italien und schon gut mit dem Schweinskopf und dem
Kohl und den mehligweißen Kartoffeln zugange. Ich berichte ihnen von meinem Weihnachtsessen. Mam will wissen, ob ich mit den Krankenschwestern und Nonnen zusammen gegessen habe, und sie wird ein bißchen böse, als ich ihr sage, daß ich allein auf einer Station gegessen habe, und so kann man doch ein Kind nicht behandeln.
Sie sagt mir, setz dich und iß was von dem Schweinskopf, und ich zwinge mich dazu, mir etwas in den Mund zu stecken, und ich bin so vollgefressen, daß ich mich aufs Bett legen muß und mein Bauch eine Meile weit vorsteht.
Es ist früh am Morgen, und draußen steht ein Auto vor der Tür, das erste, das wir in unserer Gasse je gesehen haben. Da sind Männer mit Anzügen, die in den Stall von Finn-dem-Pferd kukken, und irgendwas stimmt da nicht, denn man sieht nie Männer mit Anzügen in der Gasse.
Es ist Finn-das-Pferd. Es liegt auf dem Stallboden und sieht auf die Gasse hinaus, und ums Maul hat es so weißes Zeug, wie Milch. Der Stallmensch, der sich um Finn-das-Pferd kümmert, sagt, er hat es am Morgen so vorgefunden, und merkwürdig ist das, weil es sonst immer schon aufgestanden ist und auf sein Futter wartet. Die Männer schütteln den Kopf. Mein Bruder Michael
sagt zu einem der Männer, Mister, was ist denn mit Finn?
Krankes Pferd, Junge. Geh nach Hause.
Der Stallmensch, der sich um Finn kümmert, hat den Whiskeygeruch an sich. Er sagt zu Michael, der Gaul ist hinüber. Wir müssen ihn erschießen.
Michael zieht an meiner Hand. Frank, die dürfen ihn nicht erschießen. Sag ihnen das. Du bist groß.
Der Stallmensch sagt, geh nach Hause, Junge. Geh nach Hause.
Michael greift ihn an, tritt ihn, kratzt ihm den Handrücken auf, und der Mann wirft ihn in hohem Bogen von sich. Halte deinen Bruder fest, sagt er zu mir, halt ihn fest.
Einer der anderen Männer holt etwas Gelbbraunes aus einer Tasche, geht zu Finn, hält es ihm an den Kopf, und man hört einen scharfen Knacks. Finn zittert. Michael schreit den Mann an und stürzt sich nun auch auf diesen Mann, aber der Mann sagt, das Pferd war krank, Kleiner. Jetzt geht’s ihm besser.
Die Männer mit Anzügen fahren weg, und der Stallmensch sagt, er muß auf den Lastwagen warten, der Finn abholen kommt, er kann ihn nicht alleine hier lassen, sonst gehen die Ratten an ihn ran. Er will wissen, ob wir das Pferd mit unserem Hund Lucky im Auge behalten können, während
er in die Kneipe geht, er hat nämlich einen Wahnsinnsschmachter auf eine Pint.
Gegen Michael mit seinem Stock hat, obwohl er noch so klein ist, keine Ratte eine Chance, auch nur in die Nähe von Finn-dem-Pferd zu kommen. Der Mann kommt zurück und riecht nach Porter, und dann ist da der große Lastwagen, um das Pferd wegzuschaffen, ein großer Lastwagen mit drei Männern und zwei langen, dicken Planken von der Ladefläche bis zu Finns Kopf. Die drei Männer und der Stallmensch binden Seile um Finn und ziehen ihn die Planken hoch, und die Leute auf der Gasse schreien die Männer an, weil die Nägel und Splitter von den Planken Finn das Fell aufreißen, und alles ist mit leuchtendrosa Pferdeblut bedeckt.
Ihr machts ja das Pferd kaputt.
Habts ihr keine Achtung vor den Toten?
Gebts doch acht, das arme Pferd.
Der Stallmensch sagt, um der Liebe Jesu willen, was gibts denn da zu plärren? Ist doch nur ein totes Pferd, und Michael stürzt sich wieder auf ihn, Kopf eingezogen, und die kleinen Fäuste fliegen, bis der Stallmensch ihm einen Schubs gibt und Michael auf den Rücken fällt und Mam mit einer solchen Wut auf den Stallmenschen losgeht, daß der die Planken hinauf und über den toten Finn rennt, um sich in Sicherheit zu bringen. Am Abend kommt er betrunken zurück, schläft seinen
Rausch im Stall aus, und als er geht, kommt es im Heu zu einem Schwelbrand, und der Stall brennt ab, und die Ratten laufen durch die Gasse, und jeder Junge und jeder Hund hinterher, bis sie in die Straßen von respektablen Menschen entkommen.
9
Mam sagt, Alphie ist genug. Ich kann nicht mehr. Jetzt ist Schluß. Nie wieder Kinder.
Dad sagt, die gute katholische Frau muß ihre ehelichen Pflichten erfüllen und sich ihrem Manne beugen oder aber mit ewiger Verdammnis rechnen.
Mam sagt, solang ich keine weiteren Kinder kriege, soll mir die ewige Verdammnis recht sein.
Was soll Dad machen? Es ist Krieg. Englische Agenten rekrutieren Iren, die in ihren Munitionsfabriken arbeiten sollen, die Bezahlung ist
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