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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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haben verquollene Augen und rote Nasen.
    Die Kneipen am Bahnhof sind mit Männern überfüllt, die das Geld vertrinken, das ihnen die Agenten für Reiseproviant gegeben haben. Sie trinken die letzte Pint, den letzten Tropfen Whiskey auf irischem Boden, und das kann leicht, Gott weiß es wohl, der letzte sein, den wir je genossen haben werden, Mick, so wie die Jerrys England beharken, und zwar keine Minute zu früh, wenn man bedenkt, was es uns angetan hat, und ist es nicht rundherum tragisch, wie wir jetzt
da drüben hin müssen, um dem altbösen Feind den Arsch zu retten.
    Die Frauen bleiben vor den Kneipen stehen. Mam sagt zu Mrs. Meehan, sobald die erste Geldanweisung kommt, gehe ich in den Laden und kaufe ein großes Frühstück, damit wir alle am Sonntagmorgen ein eigenes Ei kriegen.
    Ich sehe meinen Bruder, Malachy an. Hast du das gehört? Am Sonntagmorgen ein eigenes Ei. O Gott, ich hatte bereits Pläne mit meinem Ei. Oben anticken, sanft die Schale zerbrechen, das Oberste mit einem Löffel essen, einen Klacks Butter auf den Dotter, Salz, jetzt, ganz langsam, mit dem Löffel eintauchen, löffeln, noch mal Salz, noch mal Butter, in den Mund, o Gott in der Höhe, wenn der Himmel nach was schmeckt, dann wie ein Ei mit Butter und Salz, und gibt es nach dem Ei auf der ganzen Welt irgendwas Schöneres als frisches warmes Brot und eine große Tasse mit süßem goldenem Tee?
    Manche Männer sind bereits zu betrunken zum Gehen, und die englischen Agenten bezahlen nüchterne Männer dafür, daß sie sie aus den Kneipen zerren und auf einen großen Pferdewagen werfen, damit man sie zum Bahnhof schaffen und in die Eisenbahn verladen kann. Die Agenten versuchen verzweifelt, alle aus den Kneipen herauszukriegen. Na los, Männer. Verpaßt den Zug, und ihr verpaßt einen guten Job. Na los, Männer,
in England haben wir auch Guinness. Jameson ebenfalls. Na los, Männer, bitte, Männer. Ihr vertrinkt euer Essensgeld, und mehr kriegt ihr nicht.
    Die Männer sagen den Agenten, sie können sie mal an ihrem irischen Arsch lecken, daß sie, die Agenten, Glück haben, daß sie überhaupt noch leben, Glück, daß sie nicht am nächsten Laternenpfahl hängen, nach allem, was sie Irland angetan haben. Und die Männer singen:
    In Mountjoy, am Montag morgen,
Oben an dem Galgenbaum
Schwand Kevin Barrys junges Leben
Für der Freiheit süßen Traum. Ref 13
    Der Zug heult auf dem Bahnhof, und die Agenten flehen die Frauen an, sie sollen ihre Männer aus den Kneipen holen, und die Männer taumeln heraus und singen und weinen und umarmen ihre Frauen und Kinder und versprechen, sie werden so viel Geld schicken, daß Limerick in ein zweites New York verwandelt werden wird. Die Männer klettern die Stufen zum Bahnhof hinauf, und die Frauen und Kinder rufen ihnen nach:
    Kevin, Liebster, paß auf dich auf und trag keine feuchten Hemden.
    Häng die Socken zum Trocknen auf, Michael, oder dein entzündeter großer Zeh bringt dich vollends um.

    Und, Paddy, Vorsicht mit den Getränken, hörst du überhaupt zu, Paddy?
    Dad, Dad, geh nicht weg, Dad.
    Tommy, vergiß nicht, das Geld zu schicken. Die Kinder sind Haut und Knochen.
    Peter, vergiß nicht die Medizin für deine schwache Brust, der Herr steh’ uns bei.
    Larry, nimm dich vor den blöden Bomben in acht.
    Christy, sprich nicht mit den Engländerinnen. Die sind voller Krankheiten.
    Jackie, komm zurück. Wir kriegen das bestimmt wieder irgendwie hin. Fahr nicht weg, Jackiiiie, Jackiiiie, ach Jesus, bleib hier.
    Dad tätschelt uns den Kopf. Er sagt uns, vergeßt eure religiösen Pflichten nicht, aber, vor allen Dingen, gehorcht eurer Mutter. Er steht vor ihr. Sie hat Baby Alphie auf dem Arm.
    Sie sagt, paß auf dich auf. Er läßt den Reisesack fallen und legt die Arme um sie. So stehen sie einen Augenblick, bis das Baby zwischen ihnen aufjault. Er nickt, hebt den Sack wieder auf, geht die Bahnhofstreppe hinauf, dreht sich um, um zu winken, und ist weg.
    Zu Hause sagt Mam, ist mir doch egal. Ich weiß, es klingt extravagant, aber ich mach jetzt Feuer an und noch ein bißchen Tee, denn euer Vater fährt schließlich nicht jeden Tag nach England. Wir sitzen ums Feuer und trinken unseren
Tee und weinen, weil wir keinen Vater haben, bis Mam sagt, weint nicht, weint nicht. Jetzt, wo euer Vater nach England gegangen ist, hat unser Elend bestimmt bald ein Ende.
    Bestimmt.
     
     
    Mam und Bridey Hannon sitzen oben in Italien am Feuer, rauchen Woodbines, trinken Tee, und ich sitze auf der Treppe und höre zu.

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