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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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verstehe nichts von Luftklappen. In unserem Haus haben wir unten in Irland eine Feuerstelle und oben eine in Italien und weit und breit keine Luftklappe. Dann geht man ins Haus seiner Tante und soll alles Wissenswerte über Luftklappen beherrschen. Es hat keinen Sinn, ihr zu sagen, daß dies das erste Feuer ist, das man je in einem Herd entfacht hat. Sie haut einem doch nur wieder auf den Kopf, daß man durch die Küche fliegt. Es ist schwer einzusehen, warum erwachsene Menschen sich über so kleine Dinge wie Luftklappen so aufregen können. Wenn ich ein Mann bin, werde ich nicht herumlaufen und kleine Kinder wegen Luftklappen oder wegen sonstwas hauen. Jetzt schnauzt sie mich an, da steht er wieder rum wie Graf Rotz. Würde es dir wohl mal einfallen, das Fenster aufzumachen und den Rauch rauszulassen? Natürlich nicht. Du hast das gleiche saure Gesicht wie dein Vater aus dem Norden. Meinst du, du kannst jetzt vielleicht mal das Wasser für den Tee kochen, ohne das Haus niederzubrennen ?
    Sie schneidet drei Scheiben Brot ab, streicht für uns Margarine drauf und geht wieder ins Bett. Wir trinken Tee und essen Brot, und an diesem
Morgen sind wir froh, daß wir in die Schule müssen, wo es warm ist und wo es keine schnauzenden Tanten gibt.
    Nach der Schule sagt sie zu mir, ich soll mich an den Tisch setzen und meinem Vater einen Brief schreiben, in dem steht, daß Mam im Krankenhaus ist und daß wir alle bei Tante Aggie sind, bis Mam entlassen wird. Ich soll ihm schreiben, daß wir alle froh und glücklich und bei bester Gesundheit sind, schicke bitte Geld, Nahrungsmittel sind sehr teuer, Jungens im Wachstum essen viel, haha, Alphie, das Baby, braucht Kleidung und Windeln.
    Ich weiß nicht, warum sie immer wütend ist. Ihre Wohnung ist warm und trocken. Sie hat elektrisches Licht im Haus und ihr eigenes Klo auf dem Hinterhof. Onkel Pa hat eine geregelte Arbeit und bringt jeden Freitag seinen Lohn nach Hause. Er trinkt in South’s Kneipe seine Pints, singt aber, wenn er nach Hause kommt, nie Lieder aus Irlands langer, jammervoller Geschichte. Er sagt, die Blattern auf all ihre Häuser! und er sagt, das Komischste an der Welt ist, daß wir alle einen Arsch haben, der abgewischt werden muß, und dem kann kein Mensch entkommen. Sobald ein Politiker oder ein Papst zu schwafeln anfängt, denkt Onkel Pa daran, wie er sich den Arsch abwischt. Hitler und Roosevelt und Churchill wischen sich alle den Arsch ab. De Valera auch. Er
sagt, die einzigen, denen man in dieser Abteilung trauen kann, sind die Mohammedaner, denn die essen mit der einen Hand und wischen mit der anderen. Die menschliche Hand als solche ist ein hinterlistiger kleiner Scheißkerl, und man weiß nicht, was sie gerade angestellt hat.
    Es macht Spaß mit Onkel Pa, wenn Tante Aggie im Kleinen Saal vom Mechanikerfortbildungsheim zum Kartenspielen geht, Sechsundsechzig. Er sagt, zur Hölle mit den Mißgünstigen. Er holt sich bei South zwei Flaschen Stout und im Laden an der Ecke sechs Rosinenbrötchen und ein halbes Pfund Schinken. Er macht Tee, und wir sitzen am Herd, trinken den Tee, essen unsere Schinkenstullen und Rosinenbrötchen und lachen über Onkel Pa und darüber, wie er die Welt darstellt. Er sagt, ich habe das Gas geschluckt, ich trinke die Pint, ich schere mich keinen Fiedlerfurz um die Welt und ihren Cousin. Wenn der kleine Alphie müde und nörgelig wird und anfängt zu weinen, zieht Onkel Pa das Hemd hoch und sagt, hier, nimm mal einen schönen Schluck von der Mutterbrust. Der Anblick dieses flachen Brustkorbes samt Brustwarze schockiert Alphie, und dann ist er wieder lieb.
    Bevor Tante Aggie nach Hause kommt, müssen wir die Tassen auswaschen und aufräumen, damit sie nicht merkt, daß wir uns mit Rosinenbrötchen und Schinkenstullen vollgestopft haben. Sie würde
Onkel Pa einen Monat lang vollnölen, und das verstehe ich nicht. Warum läßt er sich von ihr so vollnölen? Er war im Ersten Weltkrieg, er hat Gas abgekriegt, er ist groß und stark, er hat Arbeit, er bringt die Welt zum Lachen. Es ist ein Mysterium. Das sagen einem die Priester und die Lehrer, alles ist ein Mysterium, und man muß glauben, was einem gesagt wird.
    Ich könnte Onkel Pa ganz leicht zum Vater haben. Wir würden uns bestens amüsieren, wir würden vor dem Herdfeuer sitzen und Tee trinken und lachen, wenn er furzt und sagt, halt mal ein Streichholz dran. Ist ein Geschenk von den Deutschen.
    Tante Aggie quält mich die ganze Zeit. Sie nennt mich Grindauge. Sie sagt, ich bin

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