Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
das Ebenbild meines Vaters, ich habe diese komische Art, ich habe dies typisch Hinterlistige, welches den Presbyterianer aus dem Norden auszeichnet, wahrscheinlich werde ich, wenn ich groß bin, einen Altar für Oliver Cromwell persönlich errichten, ich werde durchbrennen und ein englisches Flittchen heiraten und das ganze Haus mit Bildern der königlichen Familie tapezieren.
Ich will von ihr weg, und mir fällt nichts anderes ein, als krank zu werden und ins Krankenhaus zu müssen. Ich stehe mitten in der Nacht auf und gehe auf ihren Hinterhof. Ich kann so tun, als ginge ich aufs Klo. Ich stehe bei Frost im Freien
und hoffe, daß ich mir die Lungenentzündung oder die galoppierende Schwindsucht hole, damit ich ins Krankenhaus muß, wo es die schönen sauberen Laken gibt und die Mahlzeiten ans Bett, und das Mädchen mit dem blauen Kleid bringt einem Bücher. Vielleicht begegne ich einer zweiten Patricia Madigan und lerne ein langes Gedicht. Ich stehe ewig lang im Hemd und barfuß auf dem Hinterhof und sehe zum Mond hinauf, einer Geistergaleone gleich, geworfen auf wolkige See ist er, und gehe bibbernd ins Bett zurück und hoffe, daß ich morgens mit einem gräßlichen Husten und vom Fieber geröteten Wangen aufwache. Aber nichts. Ich fühle mich frisch und munter, und ich wäre in Hochform, wenn ich jetzt mit meiner Mutter und mit meinen Brüdern zu Hause sein könnte.
Es gibt Tage, an denen Tante Aggie uns sagt, sie kann unseren Anblick keine Minute länger ertragen, machts bloß, daß ihr wegkommts. Hier, Grindauge, fahr Alphie in seinem Kinderwagen spazieren, nimm deine Brüder mit, gehts in den Park, und kommts erst zum Abendessen wieder, wenn ihr das Angelusläuten hörts, aber keine Minute später, habts ihr verstanden, keine Minute später. Es ist kalt, aber das ist uns egal. Wir schieben den Kinderwagen die O’Connell Avenue hinauf bis nach Ballinacurra oder in die Rosbrien Road hinauf. Wir lassen Alphie auf Feldern herumkriechen,
damit er sich Kühe und Schafe ansehen kann, und wir lachen, wenn die Kühe ihn beschnobern. Ich gehe unter die Kühe und melke die Milch direkt in Alphies Mund, bis er satt ist und kotzt. Bauern jagen uns, bis sie sehen, wie klein Michael und Alphie noch sind. Malachy lacht die Bauern aus. Er sagt, na los, schlagt mich doch, mit dem Kind in meinem Arm. Dann hat er eine tolle Idee, warum gehen wir eigentlich nicht zu uns nach Hause und spielen da? Auf den Feldern finden wir Zweige und Holzstückchen, und dann rennen wir in die Roden Lane. Bei der Feuerstelle in Italien sind Streichhölzer, und in Null Komma nix haben wir ein gutes Feuer. Alphie schläft ein, und wir anderen duseln auch ein wenig weg, bis wir das Angelusläuten von der Erlöserkirche dröhnen hören, und wir wissen, jetzt gibt es Ärger mit Tante Aggie, weil wir zu spät kommen.
Das ist uns egal. Sie kann uns soviel anschreien, wie sie will, wir haben uns prächtig amüsiert, erst auf dem Lande mit den Kühen und den Schafen und dann mit dem schönen Feuer oben in Italien.
Man merkt, daß sie sich nie so prächtig amüsiert. Elektrisches Licht und ein Klo, aber kein Amüsement.
An Donnerstagen und Sonntagen kommt Oma zu ihr, und dann fahren sie mit dem Bus zum
Krankenhaus, um Mam zu besuchen. Wir können nicht, weil Kinder da nicht zugelassen sind, und wenn wir sagen, wie geht es Mam? kucken sie griesgrämig und sagen uns, gut, gut, sie wird leben. Wir wüßten gern, wann sie aus dem Krankenhaus rauskommt, damit wir alle wieder nach Hause können, aber wir haben Angst, den Mund aufzumachen.
Eines Tages sagt Malachy zu Tante Aggie, er hat Hunger und ob er bitte ein Stück Brot haben kann. Sie haut ihn mit einem zusammengerollten Kleinen Boten vom Allerheiligsten Herzen, und er hat Tränen an den Wimpern. Am nächsten Tag kommt er von der Schule nicht nach Hause, und als es Schlafenszeit ist, ist er immer noch weg. Tante Aggie sagt, na, der ist wohl ausgerissen. Gut, daß ich ihn los bin. Wenn er Hunger hätte, wäre er da. Soll er’s sich in einem Graben bequem machen.
Am nächsten Tag kommt Michael von der Straße hereingerannt, Dad ist da, Dad ist da, und rennt wieder hinaus, und da sitzt Dad in der Diele auf dem Boden und umarmt Michael und weint, eure arme Mutter, eure arme Mutter, und er riecht nach Getränken. Tante Aggie lächelt, ach, da bist du ja, und sie macht Tee und Eier und Würste. Sie schickt mich eine Flasche Stout für Dad holen, und ich frage mich, warum sie plötzlich so nett und
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