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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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meine Mutter aus dem Bett und nimmt das Kind. Geh zum Doktor. Geh um Himmels willen, und mein Vater zieht sich die Hose übers Hemd, keine Jacke, nur Schuhe, ohne Sokken an diesem bitteren Tag.
    Wir warten im Zimmer, die Zwillinge schlafen ganz unten im Bett, Malachy wird neben mir wach. Frankie, ich will einen Schluck Wasser. Mam wälzt sich im Bett mit dem Baby in den Armen. O Margaret, Margaret, meine liebste kleine Liebe. Mach deine schönen blauen Augen auf, mein kleines leanbh.

    Ich lasse Wasser in eine Tasse laufen, für Malachy und mich, und meine Mutter jammert, ach ja, Wasser für euch, was? Und nichts für eure Schwester. Eure arme kleine Schwester. Habt ihr gefragt, ob sie vielleicht auch einen Mund im Kopf hat? Habt ihr gefragt, ob sie vielleicht auch einen Tropfen Wasser möchte? Keineswegs. Los, trinkt ihr ruhig euer Wasser, du und dein Bruder, als wäre nichts geschehen. Für euch ist das ein ganz normaler Tag, stimmt’s? Und die Zwillinge schlafen, als gäbe es keine Sorgen auf der Welt, und hier liegt ihre arme kleine Schwester krank in meinen Armen. Krank in meinen Armen. Ach, süßer Jesus, der Du bist im Himmel. Warum spricht sie so? Heute spricht sie gar nicht wie meine Mutter. Ich will meinen Vater. Wo ist mein Vater?
    Ich gehe wieder ins Bett und fange an zu weinen. Malachy sagt, warum weinst du? Warum weinst du? bis Mam wieder auf mich losgeht. Deine Schwester liegt krank in meinen Armen, und du plärrst und flennst. Wenn ich zu dem Bett da gehe, dann geb ich dir Grund zum Plärren.
    Dad ist mit dem Doktor zurück. Dad hat den Whiskeygeruch an sich. Der Doktor untersucht das Baby, er gibt Margaret einen Stups, hebt ihre Augenlider an, befühlt Hals, Arme, Beine. Er richtet sich auf und schüttelt den Kopf: Es ist vorbei. Mam greift nach ihr, umarmt sie, wendet sich
ab. Der Doktor will wissen, hat es einen Unfall gegeben? Hat jemand das Baby fallen lassen? Haben die Jungs zu wild mit ihr gespielt? Irgendwas?
    Mein Vater schüttelt den Kopf. Der Doktor sagt, er muß sie mitnehmen und untersuchen, und Dad unterschreibt ein Stück Papier. Meine Mutter bettelt, nur noch ein paar Minuten mit ihrem Baby, aber der Doktor sagt, er hat nicht den ganzen Tag Zeit. Als Dad Margaret nehmen will, dreht sie sich wieder mit dem Baby zur Wand. Sie hat diesen wilden Ausdruck: Die schwarzen Locken liegen feucht auf ihrer Stirn, und auf ihrem Gesicht ist überall Schweiß, ihre Augen sind weit offen, und ihr Gesicht glänzt von Tränen; sie schüttelt nur den Kopf und sagt, bitte nicht, bitte nicht, bis Dad ihr das Baby behutsam aus den Armen nimmt. Der Doktor wickelt Margaret komplett in eine Decke ein, und meine Mutter schreit, o Jesus, Sie werden sie ersticken. Jesus, Maria und Joseph, so helft mir doch. Der Doktor geht. Meine Mutter dreht sich zur Wand und bewegt sich nicht und sagt nichts. Die Zwillinge sind wach, weinen vor Hunger, aber Dad steht mitten im Zimmer und starrt die Zimmerdecke an. Sein Gesicht ist weiß, und er schlägt sich mit den Fäusten auf die Oberschenkel. Er kommt ans Bett, legt mir die Hand auf den Kopf. Seine Hand zittert. Francis, ich geh mal Zigaretten holen.
    Mam bleibt den ganzen Tag im Bett und bewegt
sich kaum. Malachy und ich füllen die Flaschen der Zwillinge mit Wasser und Zucker. In der Küche finden wir einen halben Laib altbakkenes Brot und zwei kalte Würste. Wir können keinen Tee machen, weil die Milch im Eisschrank sauer ist, wo wieder das Eis geschmolzen ist, und jedermann weiß, daß man Tee nicht ohne Milch trinken kann, es sei denn, der Vater läßt einen aus seiner Tasse trinken, während er einem von Cuchulain erzählt.
    Die Zwillinge haben schon wieder Hunger, aber ich weiß, daß ich ihnen nicht den ganzen Tag und die ganze Nacht Zuckerwasser geben kann. Ich koche saure Milch in einem Topf, mansche etwas von dem altbackenen Brot hinein und versuche, sie aus einer Tasse zu füttern, Brot mit Lecker. Sie schneiden Grimassen und weinen und laufen zu Mam ans Bett. Sie wollen das Brot mit Lecker nicht essen, bis ich den Geschmack der sauren Milch mit Zucker abtöte. Jetzt essen und lächeln sie und schmieren sich das Lecker übers ganze Gesicht. Malachy will auch was, und wenn er das essen kann, kann ich es auch. Wir sitzen alle auf dem Fußboden, essen das Lecker und kauen kalte Wurst und trinken Wasser, das meine Mutter in einer Milchflasche im Eisschrank aufbewahrt.
    Nachdem wir gegessen und getrunken haben, gehen wir ans Ende des Ganges zum Klo,
aber wir

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