Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
der Schaukel angeschubst. Stimmt doch, oder?
Er hat versucht, mir meine Cuchulain-Geschichte zu stehlen.
Och, na na. Freddie ist deine Cuchulain-Ceschichte doch ganz egal. Er hat seine eigene Geschichte. Hunderte von Geschichten. Er ist Jude.
Was ist ein Jude?
Dad lacht. Juden sind … Juden sind Leute mit ihren eigenen Geschichten. Sie brauchen Cuchulain nicht. Sie haben Moses. Sie haben Samson.
Was ist Samson?
Wenn du jetzt hingehst und mit Freddie sprichst, erzähl ich dir später von Samson. Du kannst Freddie sagen, daß es dir leid tut und daß du das nie wieder machst, und du kannst ihn sogar nach Samson fragen. Alles, was du willst, solang du nur mit Freddie sprichst. Meinst du, du machst das mal?
Das Baby stößt in den Armen meiner Mutter einen kleinen Schrei aus, und Dad springt auf, und Malachy fällt auf den Fußboden. Was ist mit ihr? Geht’s ihr gut? Meine Mutter sagt, natürlich geht es ihr gut. Sie kriegt doch gerade die Flasche. Gott in der Höhe, du bist ein richtiges Nervenbündel.
Jetzt sprechen sie über Margaret, und ich bin vergessen. Ist mir auch recht. Ich gehe über den Flur, um Freddie wegen Samson zu befragen, um zu erfahren, ob Samson auch so gut ist wie Cuchulain, um zu erfahren, ob Freddie seine eigene Geschichte
hat oder ob er immer noch Cuchulain klauen will. Malachy will mit, weil mein Vater jetzt steht und keinen Schoß mehr hat.
Mrs. Leibowitz sagt, O Frankie, Frankie, kum arain, kum arain. Und der kleine Malachy. Nu sug mir, Frankie, wus hast du angetan dem Freddie? Hast ihn versucht umzubringen? Asoj a gites Jingalach ist der Freddie, Frankie. Liest sein Buch. Hört Radio mit seinem Papa. Schaukelt deinen Bruder auf der Schaukel. Und du versuchst ihn umzubringen. O Frankie, Frankie. Und dann deine arme Mutter und ihr krankes Baby.
Sie ist nicht krank, Mrs. Leibowitz.
Doch, Gottenju, krank ist das Kind. Ich kenn mich aus in kranken Kindern. Ich arbeite im Hostipel. Erzähl mir nichts, Frankie. Kum arain, kum arain. Freddie, Frankie ist da. Kum arojs. Frankie will dich nicht mehr umbringen. Dich und den kleinen Malachy. Asoj a schejner jiddischer Name, Schtickl Kuchen, nu? Far wus haben sie dir gegeben an jiddischen Namen, nu? So … Glas Milch, Schtickl Kuchen. So dünne Jingalach, keine guten Esser, die Iren.
Wir sitzen mit Freddie am Tisch, essen Kuchen, trinken Milch. Mr. Leibowitz sitzt auf einem Sessel, liest Zeitung, hört Radio. Manchmal spricht er mit Mrs. Leibowitz, und ich verstehe nichts, weil seltsame Laute aus seinem Mund kommen. Freddie versteht es. Mr. Leibowitz
macht komische Geräusche, und Freddie bringt ihm ein Stück Kuchen. Mr. Leibowitz lächelt Freddie an und tätschelt ihm den Kopf, und Freddie lächelt zurück und macht die merkwürdigen Geräusche.
Mrs. Leibowitz sieht Malachy an, schüttelt den Kopf und sagt, oy, so dünn. Sie sagt so oft oy, daß Malachy lacht und oy sagt, und die Leibowitzens lachen, und Mr. Leibowitz sagt Wörter, die wir verstehen können: When Irish oyes are smiling. Mrs. Leibowitz lacht so heftig, daß ihr ganzer Körper wackelt und sie sich den Bauch halten muß, und Malachy sagt wieder oy, weil er weiß, daß dann alle lachen. Ich sage auch oy, aber niemand lacht, und ich weiß, daß das Oy Malachy gehört, so wie Cuchulain mir gehört, und Malachy kann sein Oy behalten. Ich sage, Mrs. Leibowitz, mein Vater sagt, Freddie hat eine Lieblingsgeschichte.
Malachy sagt, Sam … Sam … oy. Wieder lachen alle, aber ich lache nicht, weil ich nicht darauf komme, was nach Sam kommt. Samson, murmelt Freddie durch seinen Kuchen hindurch, und Mrs. Leibowitz sagt, mer redt sach nischt mit fullem Mojl, und ich muß lachen, weil sie als Erwachsene Maul sagt und nicht Mund. Malachy lacht, weil ich lache, und die Leibowitzens sehen sich an und lächeln. Freddie sagt, nicht Samson. Meine Lieblingsgeschichte ist David und der Riese
Goliath. David hat ihn mit einer Schleuder totgeschossen, einen Stein in den Kopf. Und sein ganzer Hirn fiel auf den Fußboden.
Sein gan zes Hirn, sagt Mr. Leibowitz.
Ja, Papa.
Papa. So nennt Freddie seinen Vater, und ich nenne meinen Vater Dad.
Das Geflüster meiner Mutter weckt mich auf. Was ist mit dem Kind los? Es ist noch früh, und im Zimmer ist noch nicht viel Morgen, aber man kann Dad am Fenster sehen, mit Margaret auf dem Arm. Er wiegt sie und seufzt, och.
Mam sagt, ist sie … Ist sie krank?
Och, sie ist ein bißchen still und ein bißchen kalt, sagt Dad.
Schon ist
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