Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
würde nicht mehr weinen, und meine Mutter würde nicht mehr Tag und Nacht im Bett liegen, und Dad würde mir Cuchulain-Geschichten erzählen, und ich würde nicht mehr wollen, daß Mrs. Leibowitz meine Mutter ist. Mrs. Leibowitz ist nett, aber lieber wäre es mir, daß mein Vater mir Cuchulain-Geschichten erzählt und daß Margaret zwitschert und daß Mam lacht, wenn Dad mit seinen zwei linken Füßen tanzt.
Minnie McAdorey kommt, um zu helfen. Heilige Muttergottes, Mrs. Leibowitz, diese Zwillinge stinken zum Himmel.
Ob Gott eine Mamme hat, weiß ich nicht, Minnie,
aber diese Zwillinge brauchen ein Bad. Sie brauchen saubere Windeln. Frankie, wo sind die sauberen Windeln?
Weiß ich nicht.
Minnie sagt, als Windeln tragen sie immer Lumpen. Ich hol uns welche von Maisie. Frankie, du ziehst ihnen diese Lumpen aus und schmeißt sie weg.
Malachy entfernt Olivers Lumpen, und ich kämpfe mit Eugene. Die Sicherheitsnadel klemmt, und als er zappelt, geht sie ab, sticht ihm in die Hüfte, und sofort plärrt er nach Mam. Aber Minnie ist schon wieder da, mit einem Handtuch und Seife und heißem Wasser. Ich helfe ihr, die verkrustete Scheiße abzuwaschen, und darf dafür den Zwillingen die wunde Haut pudern. Sie sagt, sie sind liebe kleine Jungs, und sie hat eine große Überraschung für sie. Sie geht über den Korridor und bringt einen Topf Kartoffelbrei für alle mit. Der Kartoffelbrei ist mit ganz viel Salz und Butter, und ich frage mich, ob vielleicht die Möglichkeit besteht, daß Minnie meine Mutter wird, damit ich immer so was essen kann. Wenn ich beide gleichzeitig als Mutter haben könnte, Mrs. Leibowitz und Minnie, dann hätte ich Suppe und Kartoffelbrei für immer und ewig.
Minnie und Mrs. Leibowitz sitzen am Tisch. Mrs. Leibowitz sagt, es muß etwas geschehen. Diese Kinder verwildern, und wo ist der Vater?
Ich höre Minnie flüstern, er ergibt sich dem Trunk. Mrs. Leibowitz sagt, schrecklich, schrecklich, wie die Iren trinken. Minnie sagt, ihr Dan trinkt nicht. Rührt das Zeug nicht an, und Dan hat ihr gesagt, als das Baby gestorben war, ist dieser arme Mann, Malachy McCourt, wie ein Wahnsinniger durch die Flatbush Avenue und die Atlantic Avenue gestürmt und aus allen Kneipen um den Bahnhof von Long Island herum rausgeschmissen worden, und die Polizei hätte ihn glatt ins Gefängnis gesteckt, wenn es was anderes gewesen wäre, als daß dies wunderschöne kleine Baby gestorben ist.
Hier hat er vier wunderschöne kleine Buben, sagt Minnie, aber das ist ihm kein Trost. Dieses kleine Mädchen hat etwas in ihm zum Vorschein gebracht. Sie wissen ja, nachdem sie geboren war, hat er nicht mal mehr getrunken, und das war ein Wunder.
Mrs. Leibowitz will wissen, wo Mams Cousinen sind, die großen Frauen mit den stillen Männern. Minnie wird sie finden und ihnen sagen, daß die Kinder vernachlässigt werden, daß sie verwildern, daß ihr Arsch wund ist und alles.
Zwei Tage später kehrt Dad von seiner Zigarettenjagd zurück. Es ist mitten in der Nacht, aber er holt Malachy und mich aus dem Bett. Er riecht
nach Getränken. In der Küche müssen wir Stillgestanden machen. Wir sind Soldaten. Er sagt uns, wir müssen versprechen, daß wir für Irland sterben. Machen wir, Dad, machen wir.
Alle zusammen singen wir Kevin Barry.
In Mountjoy, am Montag morgen,
Oben an dem Galgenbaum
Schwand Kevin Barrys junges Leben
Für der Freiheit süßen Traum.
Ein Bursche nur von achtzehn Sommern –
Es zu bestreiten wär nicht klug:
Als er in den Tod marschierte,
Daß er den Kopf erhoben trug. Ref 12
Es wird an die Tür geklopft – Mr. McAdorey. Malachy, um Gottes willen, es ist drei Uhr früh. Du hast mit dem Gesang das ganze Haus geweckt.
Och, Dan, ich bring doch nur den Jungs bei, daß sie für Irland sterben.
Daß sie für Irland sterben, kannst du ihnen auch tagsüber beibringen, Malachy.
’s eilt aber, Dan, ’s eilt.
Ich weiß, Malachy, aber sie sind doch noch Kinder. Babys. Du geh jetzt ins Bett wie ein anständiger Mensch.
Ins Bett, Dan? Was soll ich denn im Bett? Bei Tag und Nacht ist dort immer nur ihr kleines Gesicht, die wunderschönen blauen Augen. Jesus,
Maria und Joseph, nein, Dan, was werd ich nur tun? Hat sie der Hunger umgebracht, Dan?
Natürlich nicht. Deine Missis hat sie doch gestillt, da kann sie keinen Hunger gelitten haben. Gott hat sie zu Sich genommen. Er hat Seine Gründe.
Nur noch ein Lied, Dan, bevor wir ins Bett gehen.
Gute Nacht, Malachy.
Los, Jungs. Singt.
Weil er das
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