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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Stuhl und weinend auf den Speicher klettert und zu Laman Griffin sagt, er ist doch noch ein Junge und mit seinen Augen geschlagen, und als Laman sagt, er ist ein kleiner Scheißkerl, und ich will ihn nicht mehr im Haus haben, weint und bettelt sie, bis geflüstert und gegrunzt und gestöhnt wird und dann nichts mehr.
    Schließlich schnarchen sie auf dem Speicher, und um mich herum schlafen meine Brüder.
    Ich kann in diesem Haus nicht bleiben, denn wenn Laman wieder auf mich losgeht, schlitze ich ihm mit einem Messer den Hals auf. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll.
    Ich verlasse das Haus und gehe von der Sarsfield-Kaserne bis zum Monument Café. Ich träume, wie ich es Laman eines Tages heimzahlen werde. Ich werde nach Amerika gehen und Joe Louis
kennenlernen. Ich werde ihm von meinen Schwierigkeiten berichten, und er wird mich verstehen, weil er aus einer armen Familie kommt. Er wird mir zeigen, wie man die Muskulatur aufbaut, wie ich die Hände halten muß und die richtige Beinarbeit. Er wird mir zeigen, wie ich das Kinn in die Schulter grabe, nämlich genau wie er, und wie ich mit einem rechten Uppercut rauskomme, daß Laman fliegen lernt. Ich werde Laman zum Friedhof nach Mungret zerren, wo seine Familie und Mams Familie beerdigt sind, und ich werde ihn bis zum Kinn mit Erde bedecken, so daß er sich nicht mehr bewegen kann, und er wird um sein Leben winseln, und ich werde sagen, Endstation, Laman, alles aussteigen tritt vor deinen Schöpfer und er wird flehen und flehen während ich Schmutz auf sein Gesicht rieseln lasse bis es komplett bedeckt ist und er wird keuchen und Gott um Vergebung bitten weil er mir nicht das Rad gegeben und weil er mich verhauen hat und im ganzen Haus herumgeschubst und weil er mit meiner Mutter die Aufregung gemacht hat und er wird so gewiß zur Hölle fahren wie Gott die kleinen Äpfel erschaffen hat wie er selbst so richtig sagte.
    Die Straßen sind dunkel, und ich muß scharf aufpassen, falls ich wie Malachy vor langer Zeit Glück habe und Fisch mit Fritten finde, die betrunkene Soldaten irgendwo fallen gelassen haben.

    Nichts liegt auf dem Boden. Wenn ich meinen Onkel, Ab Sheehan, finde, gibt er mir vielleicht von seinem Freitagabendfisch mit Fritten ab, aber im Café sagen sie mir, er war da und ist schon wieder weg. Ich bin jetzt dreizehn, also sage ich nicht mehr Onkel Pat zu ihm, sondern Ab oder Abt wie alle andern. Wenn ich zu Omas Haus gehe, gibt er mir bestimmt ein Stück Brot oder irgendwas, und vielleicht darf ich die Nacht über bleiben. Ich kann ihm sagen, daß ich in ein paar Wochen als Telegrammbote Arbeit habe und bei der Post dicke Trinkgelder kriege und für mich selbst aufkommen kann.
    Er sitzt aufrecht im Bett und ißt den Rest von seinem Fisch mit Fritten, läßt den Limerick Leader, in den er eingewickelt war, fallen und wischt sich Mund und Hände an der Bettdecke ab.
    Er sieht mich an, das Gesicht ist ja ganz geschwollen. Bist du auf das Gesicht da gefallen?
    Ich sage ihm, ja, bin ich, weil es keinen Sinn hat, ihm irgendwas anderes zu erzählen. Er versteht ja doch nichts. Er sagt, du kannst heute nacht im Bett meiner Mutter bleiben. Mit dem Gesicht und den zwei roten Augen im Kopf kannst du dich nicht auf der Straße rumtreiben.
    Er sagt, es gibt nichts zu essen im Haus, kein Stückchen Brot, und als er einschläft, hebe ich die fettige Zeitung vom Fußboden auf. Ich lecke die erste Seite ab, die ausschließlich aus Anzeigen für
Filme und Tanzvergnügen in der Innenstadt besteht. Ich lecke die Schlagzeilen ab. Ich lecke die Großangriffe von Pattun und Montgomery in Frankreich und Deutschland ab. Ich lecke den Krieg im Pazifik ab. Ich lecke die Nachrufe und die traurigen Gedenkgedichte ab, die Sportseiten, die Marktpreise für Eier, Butter und Speck. Ich lutsche die Zeitung, bis kein Fitzchen Fett mehr dran ist.
    Ich frage mich, was ich morgen tun werde.

14
    Am Morgen gibt mir der Abt das Geld, damit ich zu Kathleen O’Connell gehen kann, um Brot, Margarine, Tee und Milch zu holen. Er kocht Wasser auf dem Gasring und sagt mir, ich kann eine Tasse Tee haben, und, Vorsicht mit dem Zukker, ich bin kein Millionär. Und schneide dir auch eine Scheibe Brot ab, aber nicht zu dick.
    Es ist Juli, und die Schule ist für alle Zeiten aus. In ein paar Wochen werde ich bei der Post Telegramme zustellen, arbeiten wie ein Mann. In den Wochen meiner Untätigkeit kann ich tun, was ich will, morgens aufstehen, im Bett bleiben,

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