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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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lange Spaziergänge über Land unternehmen wie mein Vater, durch Limerick wandern. Wenn ich das Geld hätte, würde ich ins Lyric Cinema gehen, Süßigkeiten essen, mir ansehen, wie Errol alle in Sichtweite im Sturm erobert. Ich kann die englischen und irischen Zeitungen lesen, die der Abt mit nach Hause bringt, oder ich kann die Leserausweise von Laman Griffin und meiner Mutter benutzen, bis sie was merken.
    Mam schickt Michael mit einer Milchflasche voll warmem Tee, ein paar Scheiben Brot mit Bratenfett und einer Nachricht, in der steht, daß
Laman Griffin nicht mehr böse ist und ich zurückkommen kann. Michael sagt, kommst du nach Hause, Frankie?
    Nein.
    Ach doch, Frankie. Komm doch.
    Ich wohne jetzt hier. Ich werde nie zurückkommen.
    Aber Malachy ist zur Armee gegangen, und du bist hier, und ich habe keinen großen Bruder. Alle Jungs haben einen großen Bruder, und ich habe nur Alphie, der erst vier ist und noch nicht mal ordentlich sprechen kann.
    Ich kann nicht zurück. Ich werde nie zurückkommen. Du kannst mich jederzeit hier besuchen kommen.
    In seinen Augen glitzern Tränen, und das gibt mir einen solchen Stich ins Herz, daß ich sagen möchte, na gut, na schön, ich komme mit. Ich komme aber nicht mit. Ich weiß, ich werde Laman Griffin nie wieder ins Gesicht sehen können, und ich weiß nicht, ob ich meine Mutter noch ansehen kann. Ich beobachte Michael, wie er die Gasse entlanggeht, und die Sohle seines einen Schuhs ist kaputt und klackert auf dem Bürgersteig. Wenn ich mit diesem Job bei der Post anfange, kaufe ich ihm Schuhe, versprochen ist gehalten. Ich werde ihm ein Ei schenken und ihn mit ins Lyric Cinema nehmen, und dann gibt es den Film und die Süßigkeiten, und hinterher gehen
wir zu Naughton’s und essen Fisch mit Fritten, bis uns der Bauch eine Meile weit absteht. Eines Tages werde ich Geld für ein Haus oder eine Wohnung mit elektrischem Licht und einem Klo und Betten mit Laken, Decken, Kissen haben, wie der Rest der Welt. Wir werden in einer hellen Küche frühstücken, und draußen tanzen Blumen in einem Garten, und in der Küche sind zerbrechliche Tassen und Untertassen, Eierbecher, Eier, im Dotter noch weich und bereit, die üppige, sahnige Butter zu schmelzen, eine Teekanne mit Wärmehaube, Toast mit Butter und jeder Menge Apfelsinenmarmelade. Wir werden uns Zeit lassen und Musik von BBC oder AFN hören. Ich werde anständige Klamotten für die ganze Familie kaufen, damit uns nicht der Arsch aus der Hose hängt und wir keine Schande sind. Der Gedanke an unsere Schande gibt mir wieder einen Stich ins Herz, und ich fange an zu schniefen. Der Abt sagt, was ist denn mit dir los? Hast du etwa kein Brot gekriegt? Hast du etwa keinen Tee gekriegt? Was willst du denn noch alles? Als nächstes willst du wahrscheinlich ein Ei.
    Es hat keinen Sinn, mit jemandem zu sprechen, der auf den Kopf gefallen ist und Zeitungen verkauft.
    Er mault, er kann mich nicht ewig durchfüttern, und ich muß mir mein Brot und meinen Tee selbst besorgen. Er will nicht nach Hause
kommen, und dann sitze ich in der Küche und lese, und die elektrische Glühbirne leuchtet, daß es kracht. Er kann Zahlen lesen, allerdings, Zahlen kann er lesen, und wenn er weggeht, um Zeitungen zu verkaufen, liest er den Zählerstand am Stromzähler ab, damit er weiß, wieviel ich verbraucht habe, und wenn ich nicht aufhöre, dieses Licht anzuknipsen, dreht er die Sicherung raus und nimmt sie in der Manteltasche mit, und wenn ich eine andere Sicherung reinschraube, läßt er die ganze Elektrizität wieder rausnehmen und stellt sich wieder auf Gas um, was sowieso für seine arme tote Mutter gut genug war, und für ihn ist es auch völlig ausreichend, denn alles, was er zu Hause tut, ist aufrecht im Bett sitzen, um seinen Fisch mit Fritten zu essen und sein Geld zu zählen, bevor er einschläft.
    Ich stehe morgens wie Dad früh auf und unternehme lange Spaziergänge über Land. Ich gehe über den Friedhof der alten Abtei in Mungret, wo die Verwandtschaft meiner Mutter begraben liegt, und ich gehe den verschlungenen Pfad zur Normannenburg in Carrigogunnell hinauf, wo Dad mich zweimal mit hingenommen hat. Ich steige bis ganz nach oben, und Irland liegt vor mir ausgebreitet, der Shannon funkelt bis zum Atlantik. Dad hat mir erzählt, daß diese Burg vor Hunderten von Jahren gebaut wurde, und wenn man wartet, daß die Lerchen da drüben mit ihrem Gesinge
aufhören, kann man unten die Normannen hören, wie sie hämmern und reden und sich auf

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