Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
kannst, und hat euch die Tür vor der Nase zugeschlagen. Erinnerst du dich?
Ja.
Und jetzt knallt dir Bruder Murray die Tür vor der Nase zu.
Ist mir egal. Ich will mir Arbeit suchen.
Ihr Gesicht wird streng. Du wirst dir nie wieder von jemandem die Tür vor der Nase zuschlagen lassen, hörst du?
Sie fängt beim Feuer an zu weinen. O Gott, ich hab euch doch nicht auf die Welt gebracht, damit ihr eine Familie von Botenjungen werdets.
Ich weiß nicht, was ich tun oder sagen soll, ich bin so erleichtert, daß ich nicht noch fünf oder sechs Jahre in der Schule bleiben muß.
Ich bin frei.
Ich bin dreizehn und werde vierzehn, und es ist Juni, der letzte Monat vor den ganz großen, den ewigen Ferien. Mam nimmt mich mit zum Priester, Dr. Cowpar, und der soll sich dafür einsetzen, daß ich einen Job als Telegrammjunge kriege. Die Chefin vom Postamt, Mrs. O’Connell, sagt, kannst du radfahren? und ich lüge, ja, kann ich. Sie sagt, ich kann nicht anfangen, bevor ich vierzehn bin, also komm im August wieder. Mr. O’Halloran sagt der Klasse, es ist eine Schande, daß Buben wie McCourt, Clarke, Kennedy Holz hacken und Wasser holen müssen. Es widert ihn an, dies freie und unabhängige Irland, welches ein Klassensystem beibehält, das uns die Engländer angedreht haben, es widert ihn an, daß wir unsere begabten Kinder auf den Misthaufen werfen.
Ihr müßt dies Land verlassen, ihr Buben. Geh nach Amerika, McCourt. Hörst du?
Ja, Sir.
Priester kommen in die Schule, um uns für die Missionen im Ausland anzuwerben, Redemptoristen, Franziskaner, Missionare vom Heiligen Geist, alle bekehren sie die weiter entfernten Heiden. Ich kümmere mich gar nicht um sie. Ich will nach Amerika, bis ein Priester meine Aufmerksamkeit erregt. Er sagt, er kommt vom Orden der Weißen Väter, Missionare bei den nomadisierenden Beduinenstämmen und Feldgeistliche der französischen Fremdenlegion.
Ich lasse mir einen Antrag geben.
Ich werde einen Brief vom Gemeindepriester und eine Untersuchung vom Hausarzt brauchen. Der Gemeindepriester schreibt den Brief auf der Stelle. Wäre mich letztes Jahr schon gern losgewesen. Der Arzt sagt, was ist das?
Das ist ein Antrag auf Aufnahme bei den Weißen Vätern, Missionaren bei den nomadisierenden Beduinenstämmen und Feldgeistlichen der französischen Fremdenlegion.
Ah ja? Bei der französischen Fremdenlegion, ja? Kennst du die bevorzugte Art der Fortbewegung in der Wüste Sahara?
Mit der Eisenbahn?
Nein. Auf dem Kamel. Weißt du, was ein Kamel ist?
Es hat einen Höcker.
Es hat mehr als einen Höcker. Es hat eine abscheuliche, gemeine Veranlagung, seine Zähne sind grün vom Wundbrand, und es beißt. Weißt du, wo es beißt?
In der Sahara?
Nein, du Omadhaun. Es beißt dir in die Schulter, reißt sie dir einfach heraus. Läßt dich schief in der Sahara stehen. Wie würde dir das gefallen, hä? Und was würdest du für ein Schauspiel bieten, wenn du einseitig durch die Straßen von Limerick schlenderst? Welches Mädchen, das sie noch alle beisammen hat, wird einen Exweißenvater
mit einer einzigen elenden dürren Schulter auch nur ansehen? Und sieh dir deine Augen an. Die sind hier in Limerick schon schlimm genug. In der Sahara werden sie schwären und verfaulen und dir aus dem Kopfe fallen. Wie alt bist du?
Dreizehn.
Geh nach Haus zu deiner Mutter.
Es ist nicht unser Haus, und wir fühlen uns nicht so frei wie in der Roden Lane, egal, ob oben in Italien oder unten in Irland. Wenn Laman nach Hause kommt, will er im Bett lesen oder schlafen, und wir müssen still sein. Wir bleiben bis lange nach Einbruch der Dunkelheit auf der Straße, und wenn wir nach Hause kommen, können wir nur noch ins Bett gehen und ein Buch lesen, wenn wir eine Kerze oder Paraffinöl für die Lampe haben. Mam sagt uns, geht ins Bett, in einer Minute kommt sie nach, sobald sie mit Lamans letzter Tasse Tee auf den Speicher geklettert ist. Oft schlafen wir ein, bevor sie hochklettert, aber es gibt Nächte, da hören wir sie sprechen, grunzen, stöhnen. Es gibt Nächte, da kommt sie gar nicht herunter, und Michael und Alphie haben das große Bett für sich. Michael sagt, sie bleibt oben, weil es für sie zu schwer ist, im Dunklen herunterzuklettern.
Er ist erst sieben, und er versteht es nicht.
Ich bin dreizehn, und ich glaube, sie machen da oben die Aufregung.
Ich weiß Bescheid über die Aufregung, und ich weiß, daß sie eine Sünde ist, aber wie kann sie eine Sünde sein, wenn sie in einem Traum zu mir
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