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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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Schule geschwänzt, ich habe meine Mutter angelogen.
    Ja, mein Kind, und was hast du noch getan?
    Ich, ich, ich habe säuische Sachen gemacht, Vater.
    Aha, mein Kind, war das mit dir selbst oder mit einem anderen oder gar nicht mit einem Menschenwesen?
    Gar nicht mit einem Menschenwesen. Von so einer Sünde habe ich ja noch nie gehört. Der Priester muß vom Land sein, und wenn ja, dann eröffnet er mir neue Welten.

     
     
    Am Abend, bevor ich nach Killaloe will, kommt Laman Griffin betrunken nach Hause und ißt am Tisch eine Riesentüte Fisch mit Fritten.
    Er sagt Mam, sie soll Wasser für Tee kochen, und als sie sagt, sie hat weder Kohle noch Torf, schnauzt er sie an und nennt sie einen großen Trampel, der mit seiner Bälgerbrut umsonst unter seinem Dach lebt. Er wirft mir Geld für ein paar Soden Torf und Anmachholz zu.
    Ich will nicht gehen. Ich möchte ihn lieber hauen, weil er meine Mutter schlecht behandelt, aber wenn ich irgendwas sage, gibt er mir morgen das Fahrrad nicht, nachdem ich drei Wochen gewartet habe.
    Als Mam das Feuer angemacht hat und das Wasser kocht, erinnere ich ihn an sein Versprechen, mir das Rad zu leihen.
    Hast du heute das Nachtgeschirr ausgeleert?
    Oh, das hab ich vergessen. Mach ich sofort.
    Er brüllt, du hast meinen verdammten Nachttopf nicht ausgeleert. Ich verspreche dir das Fahrrad. Ich gebe dir zwei Pence die Woche, damit du Botengänge für mich erledigst und den Nachttopf ausleerst, und du stehst da, und deine dicke Fresse hängt dir aus dem Gesicht raus, und du sagst mir, du hast es nicht gemacht.
    Tut mir leid. Ich hab’s vergessen. Ich mach es jetzt.
    Machst du, machst du? Und wie, glaubst du,
kommst du auf den Speicher? Willst du mir den Tisch unter meinem Fisch und meinen Fritten wegziehen?
    Mam sagt, er war aber doch den ganzen Tag in der Schule und mußte zum Arzt wegen seiner Augen.
    Na, das Fahrrad kannst du jedenfalls schon mal verdammtnochmal vergessen. Du hast deinen Teil des Vertrags nicht erfüllt.
    Er konnte aber doch gar nicht, sagt Mam.
    Er sagt ihr, sie soll das Maul halten und sich um ihren eigenen Kram kümmern, und sie macht sich schweigend am Feuer zu schaffen.
    Er ißt weiter seinen Fisch mit Fritten, aber ich sage wieder zu ihm, du hast es mir versprochen. Ich hab drei Wochen lang deinen Nachttopf ausgeleert und Botengänge für dich gemacht.
    Halts Maul und geh ins Bett.
    Du kannst mir überhaupt nicht sagen, daß ich ins Bett gehen soll. Du bist nicht mein Vater, und du hast es mir versprochen.
    Ich sage dir jetzt, so gewiß, wie Gott die kleinen Äpfel erschaffen hat, daß du, wenn ich mich von diesem Tisch erhebe, deinen Schutzpatron anrufen wirst.
    Du hast es mir versprochen.
    Er schiebt den Stuhl vom Tisch zurück. Er taumelt auf mich zu und sticht mir mit dem Finger
zwischen die Augen. Ich sage dir, du sollst die Fresse halten, Grindauge.
    Ich will aber nicht. Du hast es mir versprochen.
    Er stößt mich an den Schultern, und als ich nicht still bin, holt er aus, um mir an den Kopf zu schlagen.
    Meine Mutter springt auf, sie weint und versucht, ihn wegzuziehen.
    Er schlägt und tritt mich bis ins Schlafzimmer, aber ich sage immer wieder, du hast es mir versprochen. Er drischt mich bis zum Bett meiner Mutter und haut weiter, bis ich Gesicht und Kopf mit den Armen bedecke.
    Ich bring dich um, du kleiner Scheißkerl.
    Mam kreischt und zerrt an ihm, bis er rückwärts in die Küche fällt. Sie sagt, komm doch, komm. Iß deinen Fisch mit Fritten. Er ist doch nur ein Kind. Das wächst sich zurecht.
    Ich höre, wie er zu seinem Stuhl zurückgeht und ihn an den Tisch zieht. Ich höre, wie er beim Essen und Trinken schnieft und schmatzt und schlürft.
    Gib mir die Streichhölzer, sagt er. Bei Jesus, danach brauch ich jetzt erst mal eine Kippe. Man hört ein Paffpaffgeräusch, wenn er an seiner Zigarette zieht, und ein Gewimmer von meiner Mutter.
    Er sagt, ich geh jetzt ins Bett, und mit dem vielen Getränk in ihm dauert es ein Weilchen, bis er
den Stuhl rauf- und auf den Tisch geklettert ist, den Stuhl hochgezogen hat und auf den Speicher geklettert ist. Das Bett quietscht unter ihm, und er grunzt, als er sich die Schuhe auszieht und sie auf den Boden fallen läßt.
    Ich kann Mam weinen hören, als sie in den Zylinder der Paraffinöllampe bläst und alles dunkel wird. Nach allem, was geschehen ist, will sie bestimmt in ihr eigenes Bett, und ich will bereits in das kleine Bett gehen, als ich höre, wie sie statt dessen auf den Stuhl, den Tisch, den

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