Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
um uns auf den Kathechismus und alles andere zu prüfen. Der Lehrer persönlich muß uns vorher zeigen, wie man die heilige Kommunion empfängt. Er sagt uns, wir sollen uns um ihn herum aufstellen. Er füllt seinen Hut mit dem Limerick Leader, den er in kleine Schnipsel zerrissen hat. Er gibt Paddy Clohessy den Hut, kniet sich auf den Fußboden und sagt Paddy, er soll einen Papierschnipsel nehmen und ihn ihm auf die Zunge legen. Er zeigt uns, wie man die Zunge herausstreckt, den Papierschnipsel empfängt, ihn einen Augenblick lang auf der Zunge behält, die Zunge einzieht, die Hände im Gebet faltet, gen Himmel blickt, die Augen in Anbetung schließt, darauf wartet, daß das Papier im Munde schmilzt, es runterschluckt und Gott für die Gabe und Seine Barmherzigkeit dankt. Als er seine Zunge herausstreckt, müssen wir uns das Lachen verkneifen, weil wir noch nie eine große lila Zunge gesehen haben. Er macht die Augen auf, um zu sehen, wer kichert, aber er kann nichts sagen, weil er immer noch Gott auf der Zunge hat und es ein heiliger Moment ist. Er steht wieder auf und sagt, jetzt sollen wir uns auf die ganze Klasse verteilt hinknien, um die heilige Kommunion einzuüben. Er geht durch die Klasse, legt uns Papierschnipsel auf die Zunge und
murmelt auf lateinisch. Manche kichern, und er brüllt, wenn das Kichern nicht sofort aufhört, dann kriegen wir keine heilige Erstkommunion, sondern das genaue Gegenteil davon, und wie heißt das betreffende Sakrament, McCourt?
Letzte Ölung, Sir.
Das stimmt, McCourt. Nicht schlecht für einen Yank, der frisch aus dem New Yorker Sündenpfuhl kommt.
Er sagt uns, wir sollen aufpassen, daß wir die Zunge weit genug herausstrecken, damit die Oblate nicht auf den Fußboden fällt. Er sagt, das ist das Schlimmste, was einem Priester passieren kann, denn wenn er die Oblate fallen läßt, muß er auf seine beiden Knie runter, die Oblate mit seiner eigenen Zunge aufheben und den Fußboden um die Oblate herum ablecken, falls sie noch herumgehopst ist, bevor sie liegenblieb. Dabei kann sich der Priester einen Splitter zuziehen, der seine Zunge bis auf die Größe einer Steckrübe anschwellen läßt, und das kann zum endgültigen Tod durch Ersticken führen.
Er sagt uns, die Kommunionsoblate ist das Heiligste auf der ganzen Welt, heiliger ist höchstens noch eine Reliquie vom echten Kreuz zu Golgatha, und unsere Erstkommunion ist der heiligste Augenblick in unserem Leben. Das Reden über die Erstkommunion regt den Lehrer richtig auf. Er schreitet auf und ab, fuchtelt mit dem Stock
und sagt uns, wir dürfen nie vergessen, daß wir in dem Moment, in dem uns die heilige Kommunion auf die Zunge gelegt wird, Mitglieder jener so überaus glorreichen Gemeinde werden, der Einen, Heiligen, Römischen, Katholischen und Apostolischen Kirche, daß nun schon seit zweitausend Jahren Männer, Frauen und Kinder für den Glauben gestorben sind, daß die Iren sich in der Märtyrer-Abteilung vor keinem zu verstecken brauchen. Haben wir die Welt etwa nicht reichlich mit Märtyrern versorgt? Haben wir unsere Hälse etwa nicht unter der protestantischen Axt entblößt? Sind wir etwa nicht aufs Schafott gestiegen, und zwar singend, als brächen wir zu einem Picknick auf? Stimmt’s?
Stimmt, Sir.
Was haben wir?
Unsere Hälse unter der protestantischen Axt entblößt, Sir. Und was sind wir?
Aufs Schafott gestiegen, und zwar singend, Sir.
Als was?
Als brächen wir zu einem Picknick auf, Sir.
Er sagt, in dieser Klasse befindet sich vielleicht, vielleicht ein zukünftiger Priester oder ein Märtyrer für den Glauben, obwohl er es stark bezweifelt, sind wir doch die faulste Bande von Ignoranten, die er jemals unterrichten zu müssen das Mißgeschick hatte.
Aber es muß auch solche geben, sagt er, und
bestimmt hat sich Gott etwas dabei gedacht, als er euresgleichen aussandte, um die Erde zu verseuchen. Bestimmt hat sich Gott etwas dabei gedacht, als er Clohessy ohne Schuhe in unsre Mitte sandte, Quigley mit seinen gottlosen Fragen und McCourt frisch von den sündigen Küsten Amerikas. Und merkt euch dieses, ihr Bande, Gott sandte Seinen einzigen eingeborenen Sohn nicht aus, auf daß Er am Kreuze hänge, damit ihr am Tage eurer heiligen Erstkommunion eure klebrigen kleinen Pratzen nach der Kollekte ausstreckt. Unser Herr starb, auf daß ihr erlöset werdet. Es genügt völlig, die Gabe des Glaubens zu empfangen. Hört ihr mir überhaupt zu?
Ja, Sir.
Und was genügt völlig?
Die Gabe des Glaubens, Sir.
Gut.
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