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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank McCourt
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angetan hat, aber ich bin zu groß, um auf Schößen herumzusitzen, und wenn ich es doch täte, würde Malachy vor die Tür gehen und allen erzählen, daß ich ein großes Baby bin. Ich würde meine Sorgen gern dem Engel auf der siebten Stufe berichten, aber der hat zu tun und bringt Müttern auf der ganzen Welt die Babys. Trotzdem, ich werde Dad fragen.
    Dad, hat der Engel auf der siebten Stufe noch mehr zu tun, als Babys zu bringen?
    Ja.
    Würde dir der Engel auf der siebten Stufe sagen, was du tun sollst, wenn du nicht wüßtest, was du tun sollst?
    Och, bestimmt, mein Sohn, ganz bestimmt. Genau das hat ein Engel ja zu tun, sogar der auf der siebten Stufe.
    Dad macht einen langen Spaziergang, Mam nimmt Michael und geht Oma besuchen, Malachy spielt auf der Gasse, und ich habe das Haus für mich, so daß ich mich auf die siebte Stufe setzen und mit dem Engel reden kann. Ich weiß, daß er da ist, denn die siebte Stufe fühlt sich wärmer an als die anderen, und in meinem Kopf ist ein Licht, wenn ich da sitze. Ich berichte ihm meine Sorgen, und ich höre eine Stimme. Nicht sollst du dich fürchten, sagt die Stimme.

    Er spricht rückwärts, und ich sage ihm, daß ich nicht kapiere, was er sagt.
    Du sollst dich nicht fürchten, sagt die Stimme. Sag dem Priester deine Sünde, und dir wird vergeben werden.
    Am nächsten Morgen stehe ich früh auf und trinke Tee mit Dad und erzähle ihm von dem Engel auf der siebten Stufe. Er faßt mir an die Stirn und fragt, ob es mir gutgeht. Er fragt, ob ich sicher bin, daß ich ein Licht im Kopf hatte und eine Stimme gehört habe, und was hat die Stimme gesagt?
    Ich sage ihm, die Stimme hat gesagt, nicht sollst du dich fürchten, und das heißt, du sollst dich nicht fürchten.
    Dad sagt mir, der Engel hat ganz recht, ich soll keine Angst haben, und ich sage ihm, was Mikey Molloy mir angetan hat. Ich erzähle ihm von Emer-mit-der-großen-Blase, und ich gebrauche sogar das Pißwort, weil der Engel sagte, nicht sollst du dich fürchten. Dad stellt sein Marmeladenglas mit Tee hin, zieht mich an sich und lacht mir den ganzen Kopf voll. Ich frage mich, ob er jetzt auch den Verstand verliert wie Mrs. Molloy, immer rein in die Irrenanstalt und wieder raus aus der Irrenanstalt, aber er sagt, war es das, was dich gestern nacht so bekümmert hat?
    Ich sage ja, und er sagt, es ist keine Sünde, und ich brauche es dem Priester nicht zu sagen.

    Der Engel auf der siebten Stufe hat aber doch gesagt, ich soll es ihm sagen.
    Na schön. Sag es dem Priester, wenn du willst, aber der Engel auf der siebten Stufe hat das nur gesagt, weil du es mir nicht vorher gesagt hast. Ist es nicht besser, wenn man seinem Vater seine Sorgen erzählen kann als einem Engel, der ein Licht und eine Stimme im Kopf ist?
    Doch, Dad.
     
     
    Am Tag vor der hl. Erstkommunion führt uns der Lehrer zur ersten Beichte in die Josephskirche. Wir marschieren in Zweierreihen, und wenn wir auf den Straßen von Limerick auch nur eine Lippe bewegen, bringt er uns an Ort und Stelle um und jagt uns, aufgedunsen von unseren Sünden, wie wir sind, zur Hölle. Davon hört aber das Geprahle mit den großen Sünden nicht auf. Willie Harold flüstert von seiner großen Sünde, daß er nämlich den nackten Leib seiner Schwester betrachtet hat. Paddy Hartigan sagt, er hat zehn Shilling aus dem Portemonnaie seiner Tante gestohlen und so viel Eis und Fritten gegessen, daß ihm schlecht wurde. Quigley-der-Fragensteller sagt, er ist von zu Hause weggelaufen und hat die halbe Nacht in einem Graben mit vier Ziegen verbracht. Ich versuche, ihnen von Cuchulain und Emer zu erzählen, aber der Lehrer merkt es und haut mir auf den Kopf.

    Wir knien in den Kirchenbänken vor dem Beichtstuhl nieder, und ich frage mich, ob meine Emer – Sünde so schlimm ist wie das Betrachten des nackten Leibes der Schwester, denn inzwischen weiß ich, daß manche Sachen auf der Welt schlimmer sind als andere. Deswegen gibt es verschiedene Sünden, das Sakrileg, die Todsünde, die läßliche Sünde. Und dann reden die Lehrer und die Erwachsenen normalerweise immer noch über die unverzeihliche Sünde, die ein großes Mysterium ist. Keiner weiß, was das ist, und man fragt sich, wie soll man wissen, ob man sie begangen hat, wenn man gar nicht weiß, was das ist. Wenn ich dem Priester von Emer-mit-der-großen-Blase und dem Weitpißwettbewerb erzähle, sagt er vielleicht, das ist die unverzeihliche Sünde, und wirft mich aus dem Beichtstuhl, und ich kann mich in ganz Limerick

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