Die Assistentin
körperliches Leid. Aus diesem Grund hatte Gott Schokolade erfunden.
Die Türklingel erschreckte sie. Sie spähte durch das Fenster und das Wohnzimmer hindurch bis zur Eingangstür und fragte sich, ob es vielleicht Sandra sein könnte. Lane hatte verschlafen, und inzwischen war es bereits nach zehn.
“Ich komme!”, rief sie, als die Klingel erneut ertönte. Alles, was sie durch den Türspion erkennen konnte, war eine verspiegelte Sonnenbrille. Kannte sie außer Rick Bayless sonst noch jemanden, der solche Sonnebrillen trug? “Wer ist da?”
Ein Mann antwortete. “Mach die Tür auf, dann müssen wir nicht so schreien – es sei denn, du willst, dass deine Nachbarn uns hören.”
Das war eindeutig Bayless. Mit vorgelegter Kette öffnete sie die Tür einen Spalt. Er schob die Brille hoch, sodass seine Wunden und Prellungen voll zur Geltung kamen. Doch sie minderten nur wenig die Wirkung seiner katzengrünen Augen. Er trug eine derbe olivgrüne Hose und ein weißes T-Shirt. Beides könnte aus Militärbeständen stammen. Das Einzige, was fehlte, um das Bild eines Soldaten abzurunden, war die Erkennungsmarke.
Niemand würde darauf kommen, dass dieser Kerl eine tödliche Krankheit mit unaussprechlichem Namen hatte. Aber Lane hatte in Dallas ein wenig recherchiert und festgestellt, dass er sehr wohl die Wahrheit gesagt haben konnte. Die Erkrankung war so selten, dass nur ein Medikament dagegen entwickelt worden war. Allerdings konnte es die Krankheit nicht heilen, sondern nur den Verlauf hinauszögern. Normalerweise ging es sehr schnell, sobald die Symptome einmal eingesetzt hatten. Das Gehirn hörte auf, die Signale der Nerven zu erkennen, was letzten Endes zum Versagen sämtlicher Organe führte. Zuerst verschwanden die motorischen Fähigkeiten und zum Schluss versagten die Lunge und das Herz. Der eigene Körper wurde zu einer Zeitbombe.
Es war schwer zu glauben, dass Rick Bayless davon betroffen war. Vor allem
wollte
Lane es nicht glauben. Sie brauchte einen Grund, um keine Dummheit zu machen, wie zum Beispiel, ihm zu vertrauen.
“Es ist wichtig”, sagte er. “Ich muss mit dir über Seth Black reden.”
“Ich kann nicht. Ich erwarte Besuch … äh, meine Schwester Sandra. Außerdem, was gibt es da zu reden? Jemand hat Black umgebracht, und sie glauben, ich wäre es gewesen.”
“Ich weiß. Aber ich bin dein Alibi.” Lane starrte ihn an und ließ die Worte auf sich wirken. “Lass mich rein”, drängte er.
“Warte hier”, sagte sie. “Ich bin noch nicht angezogen. Ich hole rasch meinen Morgenmantel.”
“Lane, es ist okay. Ich habe dich nackt gesehen.”
Sie zuckte zusammen. “Kannst du das bitte für dich behalten? Sonst erzähle
ich
meinen Nachbarn, dass du mich mit vorgehaltener Waffe gekidnappt hast!”
“Ich wünschte wirklich, ich hätte es nicht getan.”
“Mich zu entführen?”
“Ja.” Er verzog auf ziemlich überzeugende Weise das Gesicht. “Es war ein Akt der Verzweiflung.”
Das war zwar eine gute Antwort, aber Lane hatte trotzdem nicht vor, sich ihm im Nachthemd zu zeigen. Doch dann fiel ihr ein, dass sie gar keinen frischen Morgenmantel mehr hatte, den sie überziehen könnte; die zwei, die sie besaß, waren in der Wäsche. “Was meinst du damit, dass du mein Alibi bist?”
“Seth Black starb am Donnerstagmorgen um kurz nach sieben. Du kannst es nicht getan haben. Zu der Zeit warst du nämlich mit mir zusammen.”
“Woher weißt du, dass er da gestorben ist? In den Nachrichten hieß es, dass der Bericht der Gerichtsmediziner noch nicht fertig sei.”
Er hob die Schultern, als wollte er sagen, dass er andere Quellen habe.
Ihre Beine wurden weich, als ihr eine furchterregende Möglichkeit einfiel. Sie starrte ihn wie vor den Kopf geschlagen an. “Oh mein Gott. Jemand versucht, mir mit diesem Stift die Schuld in die Schuhe zu schieben. Warst du das? Du bist hier eingebrochen, hast den Stift gestohlen und ihn in Blacks Apartment gelegt? Hast du ihn auch umgebracht?”
Er sah aus, als wollte er gleich lachen. “Denk doch einmal darüber nach! Warum sollte ich dir einen Mord anhängen wollen und dich anschließend mit einem Alibi versorgen?”
“Damit ich in deiner Schuld stehe. Du hast das alles arrangiert, damit du ein Druckmittel gegen mich in der Hand hast. Du willst, dass ich dir ausgeliefert bin … Aber das wird nicht funktionieren.”
“Warum nicht?”
“Weil ich nichts über deinen Freund weiß oder darüber, wie er starb.”
“Das ist eine verdammte
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