Die Assistentin
Lane, als sie die Terrassentür öffnete. Die Vögel zwitscherten in den Bäumen vor dem Haus. Wohltuende Wärme umhüllte Lane und beruhigte ihre Nerven. Vielleicht gab es eine logische Erklärung für die fehlenden Stifte. Noch wollte sie die Hoffnung nicht aufgeben.
Die Terrassentür und die Fenster zeigten keine Spuren von Gewalt. Sie schritt die Eingrenzung des Dachgartens entlang und suchte die Mauern und den Boden ab, als handelte es sich um einen weiteren Tatort. An jenem Abend, als sie den Schatten auf der Terrasse gesehen hatte, war der Eindringling wahrscheinlich über die Feuerleiter gekommen. Aber das erklärte nicht, wie er in ihre Wohnung gelangt war. Das waren Fragen für einen Experten. Sie musste mit dem Sicherheitsdienst reden, der das Gebäude bewachte. Doch der konnte nur über den Hausmeister kontaktiert werden.
Nachdem sie ihre Inspektion beendet hatte, blieb sie stehen, um die blühenden Hibiskussträucher und die anderen Pflanzen in den Blumentöpfen zu betrachten. Ihr Lieblingsplatz im Garten war die schmiedeeiserne Gartenlaube. Sie war mit einer Klematis überwuchert, die bis in den Herbst hinein immer neue Blüten hervorbrachte. Die zierlichen milchig-weißen Blumen tränkten die Luft mit ihrem lieblichen Duft. Dunkelgrüner Wein beschattete ein paar Korbsessel und eine Feuerstelle aus Granit. Im Zentrum des Dachgartens befand sich ein Wandbrunnen, dessen Fontäne sich in einen glitzernden Teich ergoss. Lane hielt keine Fische in dem Teich, vor allem wegen der Erinnerungen, die sie heraufbeschworen hätten.
Allein das Geräusch plätschernden Wassers rief Bilder an den von kleinen Bächen gespeisten See in ihr wach, an dem sie früher oft mit ihrem Vater geangelt hatte. Sie hatten sich in dem kleinen Ruderboot über den See treiben lassen und schläfrig die Blinker in der dunstigen Sommersonne beobachtet. Libellen waren wie kleine Hubschrauber über die Wasseroberfläche gesaust. Nur selten biss ein Fisch an, aber darum ging es auch gar nicht. Was zählte war, dass ihr Dad immer noch kräftig genug war, um fischen zu gehen. Das Wissen, dass diese Sommeridylle schon bald ein Ende haben würde, machte die Zeit allein mit ihm im Boot zu einem kostbaren Moment.
Als ihr Vater gestorben war, war Lane nicht bei ihm gewesen. Sie hatte immer geglaubt, sie sei der Grund, warum ihre Eltern sich so erbittert stritten, und dass sie eine Chance hätten, wieder zueinander zu finden, wenn Lane fort wäre. Sie war überzeugt davon, dass es ihr Fehler war, dass ihr Vater die Gesellschaft seiner jüngsten Tochter jeder anderen vorzog, einschließlich der seiner Frau. Er liebte es, Lane Geschichten zu erzählen, und nahm sie gerne mit, wenn er hinaus in die Natur ging. Seine Frau fand keinen Gefallen am Fischen und ähnlichen Dingen, doch Lane war ein Wildfang und genoss jede Minute in der freien Natur. Sie hatte eine ganz besondere Beziehung zu ihrem Vater gehabt. Und sie war am Boden zerstört gewesen, weil sie nicht da gewesen war, um sich von ihm zu verabschieden. Sie war davon überzeugt gewesen, das Richtige zu tun. Woher hätte sie auch wissen sollen, dass die Probleme ihrer Eltern schon lange vor ihrer Geburt begonnen hatten?
Sandra verstand, dass Lane es nicht mehr aushielt, die Eltern streiten zu hören; sie war aus denselben Gründen von zu Hause fortgegangen. Aber die Schwestern hatten auf verschiedenen Seiten in diesem Krieg gestanden. Sandra hatte sich oft mit ihrer Mutter gegen Lane verbündet. Das Zerwürfnis in der Familie hatte einen Graben geschaffen, der bis heute existierte.
Lane setzte sich auf einen der Korbsessel. Das raue Rattan rieb an ihren nackten Beinen. Sie hatte die Kissen weggeräumt, um sie vor dem vorhergesagten Regen zu schützen. Jetzt würde sie ein wunderschönes Flechtmuster auf dem Rücken bekommen, aber sie kümmerte sich nicht weiter darum. Auch ohne Polster war das hier ein guter Platz zum Nachdenken.
Gestern Abend hatte sie endlich Sandras Telefonanrufe erwidert. Sie hatte ihrer Schwester von dem Besuch der Polizei erzählt, aber Sandra wirkte weder überrascht noch sonderlich besorgt. Sie sei froh, dass es Lane gut gehe, hatte sich dann aber entschuldigt und das Gespräch beendet. Lane war sprachlos gewesen und verletzt. Es schien keine Möglichkeit zu geben, wie die Schwestern einander näherkommen konnten, obwohl Lane es gerne wollte. Warum sonst sollte sie diese Leere spüren?
Lane seufzte. Emotionaler Schmerz konnte einen Menschen genauso quälen wie
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