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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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hier und da zu Bündeln vereinigten, aufflackerten und nach verschiedenen Richtungen auseinanderliefen wie belebte Schichtenlinien einer großen Karte. Es war eine Karte, eine große, bewegliche Karte.
    Als ich sie genauer betrachtete, bemerkte ich, daß sich hinter ihrer glasigen Fläche eine lichterfüllte Tiefe ausdehnte, die voll leuchtender kleiner Funken und großer, von innen erhellter Kugeln war, die sich um ihre Achse drehten, sich entfernten und sich wieder näherten, ihre Bahnen kreuzten und sich gegenseitig anstrahlten.
    Arsenjew stand neben mir. Ich hörte seinen hastigen Atem. Vor uns kreisten Gestirne auf ihren Bahnen, zerstoben Sternenhaufen, große dunkle Nebelflecken verdeckten pulsierende Sternenscharen. Dort, wo das Licht nur noch Dämmerung war, stiegen ganze Gruppen von Gestirnen empor und versanken wieder. Von Zeit zu Zeit durchzuckte ein greller Strahl den Raum, als verfolgte er einen der Planeten. Die Karte der Venus aber zog langsam, schwerfällig, gleichgültigvorüber. Die Umrisse unbekannter Kontinente wurden sichtbar.
    Es war sehr heiß in dem weiten Raum. An der Decke flammte das Licht auf und verblaßte wieder. Auf dem Fußboden verschwammen oder verschärften sich im gleichen Rhythmus unsere Schatten.
    »Wo sind wir eigentlich?« Ich zögerte. »Ist das ein Planetarium?«
    Der Astronom ging langsam und schweigend auf die Mitte des Saales zu. Hinter einem der beiden Vorsprünge öffnete sich ein runder Gang. Auf eine kurze Strecke war sein Boden von dem Licht, das aus dem Saal hereinfiel, erleuchtet. Arsenjew hatte bereits die Mitte des Raumes erreicht, als ich mich umwandte, um dieses ungewöhnliche Planetarium noch einmal zu betrachten.
    »Das sieht doch aus wie ein Firmament ... Sterne ...«, sagte ich, »was bedeutet aber diese aufzuckende, grelle Linie?«
    Plötzlich fuhr ich zusammen. »Sehen Sie, dort! Die Erde!«
    Ich lief näher an den durchsichtigen Leuchtschirm heran, der inmitten der Verwüstung erhalten geblieben war. Aus dem Dunkel tauchte der Globus mit dem Perlenglanz ferner Wolken auf. Langsam drehte er sich um seine gegen die Ekliptik geneigte Achse. Über ihm hing dunkel der Neumond. Durch den sternenerfüllten Raum kam die mattleuchtende Kugel immer näher. Schon krümmte sich ihre Bahn. Aber da, ziemlich tief unter ihr, kreiste doch die Venus! Ich erkannte sie sofort an dem viel lichteren Glanz. Auf einmal zuckte ein blendendheller Strahl von der Venus empor, erreichte die Erde und überflutete mit grausigem Flammenschein das Wolkenmeer.
    »Was war das?« flüsterte ich und packte Arsenjew am Arm. Er hob schweigend die Hand und wies auf etwas hin, was ich bis jetzt nicht bemerkt hatte: zwei seitlich in den Stein der Wand gemeißelte, durchgestrichene Ringe.
    »Was bedeutet das alles?«
    »Jetzt nichts mehr«, sagte Arsenjew, »gar nichts mehr ... Es ist nur noch machtlose Bewegung eines einmal in Gang gebrachten Mechanismus, die weiterwähren wird ...«
    Er brach ab, ohne den Satz zu vollenden, drehte sich um und trat in den dunklen Tunnel. Dieser war so schmal, daß manmit ausgestreckten Armen beide Wände berühren konnte. Wir stiegen über einige Stufen, die von kegelförmigen, nebeneinanderstehenden Vorsprüngen gebildet wurden. Der Tunnel verlief waagerecht. In der Ferne zeigte sich ein Licht, kam uns entgegen; es war der Widerschein unseres Reflektors. Eine Platte aus einer glasartigen Masse, die genau in den runden Querschnitt eingepaßt war, schloß den Tunnel ab. An der einen Seite der Wand war ein Wulst. Sollte dort ein Scharnier sein? Arsenjew stemmte sich gegen die Platte. Ob nun der Mechanismus nicht mehr funktionierte oder ob wir nicht verstanden, ihn zu betätigen – sie rückte und rührte sich jedenfalls nicht. Der Astronom dachte einen Augenblick nach, dann richtete er den Reflektor auf das Hindernis. Obwohl die glasige Masse einen großen Teil des Lichtes verschluckte, konnte man dahinter die Fortsetzung des Tunnels erkennen. Er erweiterte sich in Form eines Trichters.
    »Wenden wir den Strahlenwerfer an«, sagte Arsenjew.
    Wir zogen uns bis zur nächsten Biegung zurück. Arsenjew kniete nieder und forderte mich durch eine Handbewegung auf, das gleiche zu tun. Ich bemühte mich, das Hindernis nicht aus den Augen zu verlieren. Der Astronom stellte beim Licht des Reflektors die Entfernung ein, zielte und drückte ab. Ein gelbvioletter Blitz zuckte durch den Tunnel. Im Nu war die Platte rotglühend, große Risse durchzogen sie ... Geblendet schloß

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