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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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zeichneten sich haarscharf vom pechschwarzen Himmel ab. Auf einmal hörte ich Schritte hinter mir.
    Arsenjew war in entgegengesetzter Richtung gegangen, der gleichen, in der der Wagen abgefahren war. Ich wußte, daß niemand außer uns beiden in diesem Stadtteil war, daß kein Mensch hinter mir sein konnte. Und trotzdem hörte ich Schritte. Sie klangen nicht sehr laut – so, als ob mir jemand in einem Abstand von etwa dreißig Metern folgte. Mir war, als stächen mich Hunderte feiner Nadeln in den Rücken, und ich mußte meine ganze Willenskraft aufbieten, um mich nicht umzudrehen. Ich ging weiter ... immer das gleichmäßige Klappern hinter mir – eins, zwei – eins, zwei – lauter, wenn die Oberfläche der Straße frei, leiser, wenn sie mit angewehtem Sand bedeckt war. Vielleicht war es doch nur das Echo. Ich trat kräftiger auf. Der Schritt dessen, der hinter mir ging, klang aber nicht lauter.
    Es war kein Echo.
    Mir rann der Schweiß über das Gesicht. Ich war jetzt völlig sicher, daß etwas hinter mir herkam, und ein Mensch konnte es nicht sein. Ich blieb stehen. Die Schritte des anderen verstummten ebenfalls. Ich ging weiter, und da waren sie wieder. Zorn packte mich. Ich riß den Strahlenwerfer von der Schulter, fuhr herum und legte an.
    Die Straße war leer. In dem hellen Licht der Mauern sah ich, wie sie sich in der Ferne immer mehr verengte bis zu der Stelle, wo sie mit anderen Lichtern zusammenlief. Eine ganze Weile blickte ich wie irr um mich. Dann hängte ich den Strahlenwerfer wieder über die Schulter – ging weiter und – hörte Schritte – blieb stehen, riß ihn wieder herunter – und da tappte noch ein Schritt, ein zweiter, ein dritter – Teufel auch! Die Laute, die ich für Schritte gehalten hatte, waren durch das rhythmische Anschlagen einer Riemenschnalle dicht an meinem Ohr verursacht worden.
    Beschämt wandte ich mich wieder um. Da stiegen hinter den Gebäuden drei rote Flammen hoch, eine nach der andern. Sie blieben eine Zeitlang in der Luft hängen und glitten dann langsam, einen Schweif purpurfarbener Funken hinter sich herziehend, zu Boden. Ich eilte weiter. Es dauerte nicht lange, da sah ich Arsenjew auf einer elliptischen Bodenerhebung stehen.
    »Hier scheint es zu sein«, sagte er. Wir bogen seitlich ab und kamen zu dem Eingang eines flachen Tunnels. Seine Öffnung war mit kurzen Dornen gespickt und erinnerte an einen Haifischrachen. Es war dunkel. Arsenjew schaltete seinen Reflektor ein, und wir stiegen hinein. Der Weg führte in schrägen Spiralwindungen immer tiefer unter die Oberfläche. Er schien kein Ende zu nehmen. Von Zeit zu Zeit sahen wir die ovalen Mündungen anderer Tunnels in den Wänden. Arsenjew blickte dann nur auf die Skala des Induktionsapparates. Wir folgten unverwandt der Spur der unsichtbaren Leitung. Plötzlich gab der Boden unter uns einen anderen Ton von sich. Wir gingen über Metall. Drei dicke Rohre verliefen von einer Wand zur anderen und versperrten uns den Weg. Durch einen Spalt dazwischen sickerte ein ungewisser Lichtschein. Nur mit Mühe konnten wir uns hindurchzwängen. Ich richtete mich als erster auf und mußte geblendet die Augen zukneifen.
    Vor uns lag eine lichtüberflutete schräge Rampe. Nach einigen Dutzend Schritten standen wir in einem Saal von ungeheuren Ausmaßen. Die Decke fluoreszierte in einem ständig wechselnden grünlichen Glanz, wie die sonnenbestrahlte Oberfläche des Meeres. Das Leuchten wurde gleichmäßig stärker und wieder schwächer. Der Saal war rund und durch Vorsprünge an beiden Seiten in zwei Hälften geteilt. In dem hellen Lichtschein konnte ich feststellen, daß eine Wahrnehmung, die ich bereits im Tunnel gemacht hatte, nicht auf Täuschung beruhte. Die dünne Glasur an den Steinwänden bewies, daß hier einmal eine unerhörte Glut geherrscht haben mußte. Unter den Vorsprüngen lagen teilweise zerschmolzene Walzen aus einer weißen Masse, die an Porzellan erinnerte. Von der Decke hingen aus Löchern, in denen noch abgebrochene und abgeschmolzene Röhren steckten, Dutzende von zerrissenen Leitungen herab. Einige führten zu den Walzen und zu einem Höcker, genau in der Mitte der Decke, von dem strahlenartig Hörner ausgingen, die in Kugeln endeten. Aber nicht dieses Chaos rätselhafter Einrichtungen war die Ursache, daß wir gleich am Eingang wie versteinert stehenblieben: An der anderen Seite des Saales glitten über eine große konkave Wandfläche schillernde blau und weiß leuchtende Schlangenlinien, die sich

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