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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Feilspänen bedeckt, die so hell leuchteten, als wäre in jeden ein silbernes Fünkchen eingeschmolzen. Das Knirschen unserer Schritte hallte in der öden, leeren Straße laut wider. Manchmal jagte der Wind von den Steinplatten Staubwolken auf und schrillte hoch droben wie zerreißendes Blech.
    Über uns hing von den Seiten einer glasigen Konstruktion ein Bündel zerfetzter, armdicker Leitungen herab. Etwas weiter erhob sich über einem niedrigen Häuserblock ein in der Mitte zusammengesunkenes Gebäude, dessen Front die Straßenbiegung flankierte. Im Hintergrund gabelte sich die Straße in drei Äste. Zwei führten höher hinauf, der dritte mündete in einen Tunnel, der uns seinen riesigen leuchtenden Rachen zukehrte und dessen Inneres sich wie bei einer Turmmuschel verengte.
    Arsenjew blickte eine Weile auf den Indikator, dann nahm er den Induktionsapparat Rainers, hängte ihn über die Schulter und rief uns zu sich. Als letzter kam Soltyk. Er hatte bis jetzt bei der Maschine gestanden und versucht, das Licht des Scheinwerfers in die Tiefe des Tunnels zu lenken.
    »Wir werden Werkzeuge brauchen«, sagte Arsenjew. Seit wir ausgestiegen waren, erfüllte ein ständiges, feines, lästigesKnistern die Hörer. Um uns besser verständigen zu können, mußten wir die Köpfe zusammenstecken.
    »Vor allem eine Winde, Brechstangen und Fulgurit«, fuhr der Astronom fort. »Das alles muß von der Rakete hierhergeschafft werden.«
    Er sah uns der Reihe nach an, schließlich entschied er: »Smith bleibt bei mir, und Soltyk und Rainer kehren zur Rakete zurück. Ich schicke Sie beide; denn Oswatitsch ist bettlägerig, und Lao Tsu geht es auch nicht viel besser.« Er schaute auf die Uhr.
    »Der Hin- und Rückweg dürfte nicht länger als drei Stunden in Anspruch nehmen, die Zeit eingerechnet, die zum Aufladen des Materials erforderlich ist.«
    »Soll ich gleich fahren?« Soltyk ging einen Schritt auf den Wagen zu. »Ja.«
    Der Ingenieur stieg zuerst ein, dann folgte Rainer und schlug die Klappe hinter sich zu. Der Motor sprang an, und der Wagen setzte sich leicht schaukelnd in Bewegung. Wir blickten ihm nach, bis er hinter der Biegung verschwand. Ein paarmal hörten wir den Motor aufbrummen; wahrscheinlich fuhr der Wagen über Sanddünen oder Schutt – dann verstummte alles, nur der Wind pfiff hoch über uns.
    »Professor«, sagte ich. Er gab keine Antwort. Unablässig drang das Knistern an mein Ohr. Es war, wie wenn jemand Mohnkörner auf die Membrane schüttete.
    »Professor!« wiederholte ich lauter. »Wo ... sind sie?«
    Diesmal hatte er mich verstanden; er trat näher. Das Fenster seines Helmes lag im Schatten, und deshalb erschrak ich vor dem gewohnten Anblick des Helmes mit den abstehenden Radarantennen. Ein wahnsinniger Zweifel durchzuckte mich, ob das wirklich Arsenjew, mein Gefährte – ein Mensch sei.
    Aber dann sah ich durch das Glas des Helmes seine hellen, klaren Augen.
    »Sie sind tot – zugrunde gegangen«, sagte er.
    »Alle tot? Und wie kam es?«
    »Ich weiß es nicht. Fragen Sie jetzt nicht weiter. Der Induktionsapparat zeigt an, daß ganz in der Nähe unterirdische Leitungen verlaufen ...«
    »Deshalb haben wir hier gehalten?«
    »Ja. Ich suche das Hauptkabel des Kraftnetzes. Es ist möglich, daß es uns gelingt, bis zu der Stelle vorzudringen, an der alles seinen Anfang nimmt ...«
    Der Astronom schwieg eine Weile, dann fuhr er fort: »Wir müssen uns jetzt trennen. Jeder von uns geht vierhundert Schritte weiter, kehrt dann in einer spiralförmigen Linie zurück und sucht das akustische Echo. Wer es zuerst findet, gibt dies dem andern durch rote Raketen bekannt. Auf die Radioverbindung ist kein Verlaß. Alles klar?«
    »Ja.«
    Er drehte sich um und entfernte sich mit langen, federnden Schritten. Ich blickte auf die Scheibe des Girokompasses und marschierte nach der anderen Seite.
    Als ich die Stromzufuhr zum Radiogerät abgeschaltet hatte, dröhnten die Tritte der eisenbeschlagenen Schuhe mit doppelter Stärke auf den Steinplatten. Hin und her schwankend glitt mein Schatten über das Pflaster. Ich tastete mit meinem Induktionsgerät den Boden ab und zählte die Schritte. Als ich bei vierhundert angelangt war, kehrte ich in einer Spirale zurück. Vorderhand entdeckte ich nichts. Das rote Auge im Innern des Helmes glomm nur schwach; es waren also nur geringe Spuren von Radioaktivität vorhanden. Ihre Intensität nahm zu, wenn ich mich den Wänden näherte. Ich hob den Kopf – die hellen Bastionen dort oben

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