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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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unten, sondern bemühte mich, Ruhe zu bewahren. Ich prüfte, vom Mikrophon angefangen, sämtliche Kontakte und Anschlüsse. Sie waren in Ordnung; das Kontrollgerät der Antenne zeigte an, daß die Signale in den Raum strahlten. Und trotzdem antwortete die Rakete nicht. Ich schaute hinunter, um mich zu orientieren, und – fluchte.
    Ich war über der bewaldeten Ebene. Riesige Gruppen von wunderlich geformten Büschen verschwanden als unendliche Streifen in den tief herabhängenden Wolken, aus denen starkes, weißes Licht fiel. Unten glitten sonderbare Gestalten wie Federbüsche, Sträuße und Mähnen vorüber, mischten sich warme und kalte Farben, da ein helles Grün und da ein fast schwarzes Grün – wahrhaftig, es war ein sehr eigenartiger Wald. Im Augenblick aber hatte ich wenig Lust, mich gründlicher damit zu befassen. Ich wandte mich wieder meinem Radio zu, überprüfte noch einmal alle Verbindungen – plötzlich stieg ein Gedanke in mir auf, der mir das Blut in den Adern erstarren ließ.
    Was nun, wenn die Rakete einer Katastrophe, vielleicht sogar einem Angriff zum Of er gefallen und ich der einzigeÜberlebende war! Ich mußte erst einmal tief Atem holen – bis ich fühlte, daß das abscheuliche Angstgefühl nachließ. Dann biß ich die Zähne zusammen, blickte noch einmal auf den Wald hinunter und überlegte, was zu tun sei. Der Brennstoff reichte noch für ungefähr zwei Flugstunden, der Sauerstoff erheblich länger, vielleicht sogar noch für zwei Tage. Mit den Lebensmitteln war es schlechter bestellt – ich hatte nur einige Konzentrate und zwei Thermosflaschen Kaffee mit. Zu kreisen, bis die Tanks leer waren, hatte keinen Sinn; denn die Möglichkeit, die Rakete zufälligerweise zu sichten, war bei dieser niedrigen Wolkendecke verschwindend gering. Wenn ich aber landete, konnte ich versuchen, das Radio wieder klarzumachen – und für den Fall, daß die Rakete die Gegend überflog, den Gefährten Zeichen geben oder selbst aufsteigen und ihnen nachfliegen. Viel Erfolg versprach ich mir davon nicht. Immerhin, es schien noch der beste Ausweg zu sein. Ich mußte nur noch einen entsprechenden Landeplatz finden. Meinem Flugzeug, das mit besonderen Bremsklappen ausgerüstet war, genügte eine fünfzig Meter lange, halbwegs ebene Fläche zur Landung.
    Ich ging immer tiefer, bis ich schließlich mit niedrigster Geschwindigkeit fast die Wipfel der Bäume streifte. Wie groß war mein Erstaunen, als ich mich überzeugte, daß es gar keine Gewächse, sondern hohe, unheimlich geformte Kristalle oder mineralische Infiltrationen waren! An manchen Stellen schienen sie mit dicken, aus einer dunkelgrünen Masse gegossenen Adern ineinander verflochten zu sein und liefen oben in strauchartige Garben riesiger Nadeln aus, an anderen Stellen ragten vielfingrige Knollen, Knäuel und Dolden empor – Gebilde aus buntem Gestein, das kalt wie Eis glänzte. Die Maschine hier aufzusetzen war unmöglich. In der Hoffnung, daß dieser tote Wald irgendwo ein Ende haben müsse, flog ich geradeaus weiter und steigerte die Geschwindigkeit bis zur Höchstgrenze – so weit ich den Gashebel herunterdrücken konnte. Der Motor lief gleichmäßig. Wäre ich nicht in einer so gefährlichen Lage gewesen, so hätte ich an dem Kaleidoskop von Farbenbrechungen, das unter mir vorbeizog, gewiß meine Freude haben können. Ganz unerwartet prasselte es in den Hörer. Durch eine Sturzflut von schrillem Pfeifen und Knattern vernahm ich die Stimme Soltyks.
    »Melden Sie sich, Pilot, Pilot!«
    Ich rief sofort die Rakete an, bekam aber keine Antwort. Nach einigen Sekunden gespannten Wartens hörte ich Soltyk wieder sprechen. »Er meldet sich seit zwanzig Minuten nicht mehr.« Das mußte er zu einem der Gefährten gesagt haben. »Wollen wir weiter kreuzen?« fragte jemand; es schien Arsenjew zu sein.
    »Ingenieur!« rief ich. »Achtung, ›Kosmokrator‹!«
    »Wir kreuzen weiter«, entgegnete Soltyk. Ich rief, schrie, brüllte, aber niemand antwortete mir. Nur einzelne, abgerissene Worte drangen an mein Ohr: Soltyk beriet sich mit den Gefährten. Ich sah auf meinen Radarschirm, der mir die Richtung anzeigen sollte, in der ich die Rakete zu suchen hatte. Anstatt der leuchtenden Zacke erblickte ich auf der runden Scheibe ein Chaos von aufzuckenden Strahlen. Es erinnerte an die Störungserscheinungen, die durch Streifen oder Blättchen aus Aluminiumfolie hervorgerufen wird. Mich packte die Wut. Soltyks Stimme wurde schwächer und ging schließlich in dem immer

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